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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Edmund Edel: „Mein Freund Felix — Abenteuerliches aus Berlin W. W.“

Am: | November 22, 2023

„Berlin W. W.“, das ist der Neue Westen der Reichshauptstadt, die Gegend rund um den Kurfürstendamm. Wir schreiben das Jahr 1914. Die Welt der Wohlhabenden und Besserverdiener lässt es sich gutgehen. Man trifft sich, lässt sich sehen, sucht „Gesellschaft“ und lädt auch selbst zu „Gesellschaften“. Nicht selten finden diese in den Privaträumen der großzügigen und vielräumigen Wohnungen der noch frisch im Glanze stehenden Bürgerhäuser aus der Gründerzeit statt. Selbstverständlich dienen solche Veranstaltungen der Repräsentation — und selbstverständlich werden die privaten Räumlichkeiten hierzu nicht in ihrem Originalzustand belassen, sondern zum Zwecke der Repräsentation ordentlich rausgeputzt.

„Mundus vult decipi“, weiß der Bildungsbürger — die Welt will betrogen sein —, und so nimmt man dankend den Service von sogenannten „Tafelverleihinstituten“ in Anspruch, die neben Tafelgeschirr, Sitzmöbeln und Tischdekorationen auch gleich noch einige ansprechende Kunstobjekte für den Abend mit verleihen, welche die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich ziehen und ihren Glanz auf die Gastgeber zurückstrahlen sollen.

Der Illustrator und Schriftsteller Edmund Edel malt auch in diesem 1914 erschienenen Buch wieder einmal ein buntes Sittengemälde der Berliner Gesellschaft seiner Zeit. Mittendrin im Berliner Gesellschaftsleben steckt sein Freund Felix, ein zweifellos gut situierter Mann im besten Alter, Geschäftsführer einer Firma, deren Geschäfte seinem natürlichen Hang zum Müßiggang und seinem Interesse am weiblichen Geschlecht zum Glück nicht zu sehr im Wege stehen.

Der Erzähler berichtet von den amourösen Abenteuern seines Freundes Felix im neuen Berliner Westen. Vor allem in jener Gegend rund um den Kurfürstendamm spielen diese kleinen Geschichten und lassen vor dem geistigen Auge der Leser einen faszinierenden Mikrokosmos der Berliner Vorkriegszeit entstehen.

Edel beschreibt diese kleine Welt der „Gesellschaften“ stets mit einem Augenzwinkern. In wenigen Sätzen wird eine Situation skizziert, und fast filmisch wirken diese kleinen Szenen, was nun wahrlich kein Zufall ist. Denn das junge Medium Film gehörte ebenso zu den Arbeitsbereichen von Edmund Edel wie die Illustrations- und Plakatkunst. So verdiente sich Edel auch als sogenannter „Kinometerdichter“ sein Geld und erwarb sich schnell ein gewisses Renommee; er arbeitete an über 40 Filmen mit, der bekannteste war wohl „Die Börsenkönigin“ (1916) mit Asta Nielsen in der Hauptrolle. — Doch zurück zu Felix!

Sein Freund Felix ist ein Frauenheld. Aber einer, der es ehrlich meint, immer und bei jeder. Wie ein Schmetterling treibt es ihn von Blüte zu Blüte, er kann einfach nicht anders, er ist ein von der Liebe Getriebener und magisch angezogen von der Schönheit, wo immer er sie trifft. Landet er dann auf einer Blüte, so meint er es wirklich ernst, bleibt dort sitzen und hegt die besten Vorsätze, sich fortan ausschließlich nur noch um die heimischen Pollen zu kümmern.

Doch wir schreiben das Jahr 1914. Es ist eine von Männern dominierte Welt, eine von Männern geformte Kultur und eine von und für Männer geschaffene (Doppel-)Moral. Frauen sind in diesem Weltbild vor allem lockende Trophäen, verführerische, zart duftende Wesen, bewaffnet mit Scheinwerferaugen und Wäsche-Accessoires, die in der Lage sind, jeden Mann vom rationalen Denken abzubringen; ihre Nähe ist umwölkt von schwerem Parfüm, die Frau verzaubert durch raffinierte Kleider und bleibt immer eine Versuchung für alles Männliche. — Mit anderen Worten sind Frauen in jener Zeit immer den Versuch wert, aus einer flüchtigen Begegnung mit Charme und Raffinesse ein amouröses Abenteuer zu machen.

Die Frauen verhalten sich in diesen Geschichten erstaunlich kooperativ, sie spielen mit und sind alles andere als abgeneigt, sich an jenem uralten Spiel der Verführung zu beteiligen: mit Blicken und Gesten, mit belanglosem Geplänkel, mit zarten Andeutungen und Zweideutigkeiten, mit scheinbar zufälligen Berührungen und Versprechungen auf mehr … — Das hier beschriebene Frauenbild spiegelt die zeitgenössische Projektionsfläche für männliche Phantasien, und gleichzeitig dient es als positive Bestätigung für die weibliche Leserschaft nach dem Motto: Seht her, so sollt Ihr sein!

Edmund Edel ist mit 50 Jahren bereits im gesetzten Alter, als er dieses Buch veröffentlicht. Seit 1903 hat er sich der Schriftstellerei verschrieben; sein erfolgreichstes Buch („Berlin W. — Ein paar Kapitel von der Oberfläche“) wurde 1906 veröffentlicht. Insgesamt erschienen aus seiner Feder über 30 „Gesellschaftsromane“ — eine Bezeichnung, die sehr gut beschreibt, womit sich Edels Texte befassen.

Edmund Edel ist ein Chronist seiner Zeit und vor allem der Berliner Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg. Mit viel Witz und einem guten Gespür für die Besonderheiten jener Berliner Typen gelingen ihm sehr lebensnahe und lebendige Bilder aus dem Berliner Alltag jener Zeit, wobei ihm sein großes Talent bei der literarischen Darstellung feinster Nuancen zugutekommt. Bei der Lektüre seiner Werke — und dies gilt ganz besonders für die in mehreren Episoden erzählten Abenteuer mit seinem Freund Felix — entwickelt sich die Handlung wie in einem Film.

Im besten Sinne gelingt Edel das Kunststück, seine literarischen Figuren mit Leben zu füllen. Schnell sind wir mit Felix ebenso vertraut wie mit dem Ich-Erzähler. Während der Lektüre begleiten wir die beiden Protagonisten bei ihren regelmäßigen Treffen im Austernmeyer, einem schicken Etablissement in einer Nebenstraße des Kudamms, besuchen mit den beiden die Weiße Woche im KaDeWe, machen Bekanntschaft mit geschniegelten Tanzjungens und mit einer sportlichen Familie aus dem Grunewald, lernen die Vorzüge von ausgeliehenen Rohrstühlen kennen und finden auf vielerlei Weise Familienanschluss im turbulenten Berlin der Vorkriegszeit.

Edmund Edels „Mein Freund Felix“ war seinerzeit eine unterhaltsame Lektüre für die „geneigten Leser und die schönen Leserinnen“, ein humorvoller Spiegel jener Gesellschaft in Berlin W. W. — und ist es auch heute noch!

 

 

Autor: Edmund Edel
Titel: „Mein Freund Felix — Abenteuerliches aus Berlin W. W.“
Herausgeber: Quintus-Verlag
Gebundene Ausgabe: 152 Seiten
ISBN-10: 3969820766
ISBN-13: 978-3969820766

 

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