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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Jens Bisky: „Berlin — Biographie einer großen Stadt“

Am: | März 9, 2021

Gepriesen sei Jens Bisky, denn er schenkt uns mit seiner Berlin-Biographie eine so umfangreiche wie aufschlussreiche Stadtansicht, die sich nicht nur würdig in die lange Reihe Berliner Stadtbiographien einreiht, sondern die bewegte Geschichte deutschen Hauptstadt aus einer aktuellen Perspektive beschreibt.

Bisky Buch ist in jeder Hinsicht ein Schwergewicht. Nicht nur die knapp tausend Seiten Umfang und die 1.530 Gramm Lebendgewicht beeindrucken den zukünftigen Leser — und könnten vielleicht auch dazu führen, ihn ein wenig einzuschüchtern; sondern auch inhaltlich ist dieses Opus Magnum ein Schwergewicht.

Wie gesagt, gab es bereits eine lange Reihe von Berliner Stadtbiographien, welche das Wesen der Stadt an der Spree mal aus der einen, mal aus der anderen Perspektive zu fassen versuchten, und daneben steht eine noch beeindruckendere Zahl von literarischen Versuchen, das Besondere, Überwältigende, Abstoßende, Hinreißende, Berauschende, Ermüdende (…) am Berliner Leben in Worte zu packen.

Was ist also das Besondere und Bemerkenswerte an Biskys Berlin-Buch? — Zunächst einmal ist es die Leichtigkeit der Formulierungen sowie die unangestrengte und unverkrampfte Annäherung an dieses Mammut-Projekt. Vom ersten Satz an fühlt man sich als Leser mit- und an die Hand genommen, bekommt das gute Gefühl, sich mit der Lektüre einem kompetenten Reisebegleiter anzuschließen, der einen virtuos und fachlich fundiert durch die Jahrhunderte geleitet.

Die Berliner Geschichte beginnt im 13. Jahrhundert in den märkischen Sümpfen. Selbst von diesen nur spärlich dokumentierten und von Markgrafen, Raubrittern und Bauern dünn besiedelten Anfängen weiß der Autor spannend zu erzählen. Jene ferne Vergangenheit, deren Hauptattraktion eben darin liegt, dass sie jene Anfangszeit der kleinen Städte Berlin und Cölln umfasst, beschreibt Bisky auf den ersten hundert Seiten; aber dann geht es richtig los: Bisky springt in die Mitte des 18. Jahrhunderts, in jene erste bedeutungsvolle Phase von „Spree-Athen“, in die Zeit der Aufklärung.

Die restlichen 900 Seiten entfalten dann ein faszinierendes und schillerndes Bild einer Stadt in Bewegung, im Aufbruch und im fortschrittlichen Wandel, immer auch wieder zurückgeworfen durch Kriege und Seuchen, geprägt durch Umwälzungen und Neubeginn, gezeichnet von Rückschlägen und massiven Eingriffen. Im historischen Rückblick war Berlin wohl schon immer dazu „verdammt, immer zu werden, niemals zu sein“, wie der Kulturhistoriker Karl Scheffler 1910 in seinem berühmten Bonmot behauptete. Doch man kann diesen kulturpessimistischen Standpunkt ja auch positiv wenden und Berlins ganz besondere Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit loben …

Zu loben ist Biskys Wunderwerk nicht nur wegen seiner stilistischen Eleganz und der fachlichen Kompetenz, die den Berlin-begeisterten Leser auf den aktuellen Forschungsstand bringt. Seine Biografie einer großen Stadt ist auch die beste Berlin-Werbung, welche die Stadt seit vielen Jahren erfahren hat. Denn Bisky ist schließlich selbst gebürtiger Berliner und weiß deshalb ganz genau, wie seine Stadt wirklich tickt. Es handelt sich also in gewissem Sinne um eine „teilnehmende Beobachtung“, um einen messerscharfen (und gleichzeitig liebevollen) Blick von innen. Bisky „schaut auf diese Stadt“ nicht wie ein Biologe auf den Frosch, den er gerade seziert, sondern er lebt und atmet mittendrin in dieser großen und verrückten Stadt, während er über sie schreibt.

Viel mehr sollte man nicht über dieses Werk sagen. Für alle Berliner (und solche, die es werden wollen) ist seine Lektüre eigentlich sowieso Pflichtprogramm. Und für alle anderen folgt hier die Empfehlung, wenigstens einmal einen kleinen Blick in dieses Buch zu werfen. Das wird schon ausreichen, um sich fest zu lesen; dann wird dieses Buch Sie nicht mehr loslassen; Sie werden es kaufen, nach Hause tragen — und lesen! Diese Lektüre wird Ihnen Spaß machen und Sie mit vielen Stunden erbaulicher und interessanter Lektüre beschenken.

 

 

Autor: Jens Bisky
Titel: „Berlin — Biographie einer großen Stadt“
Herausgeber: Rowohlt Berlin
Gebundene Ausgabe: 976 Seiten
ISBN-10: 3871348147
ISBN-13: 978-3871348143

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