Peter Bofinger: „Ist der Markt noch zu retten? – Warum wir jetzt einen starken Staat brauchen“
Am: | Juli 21, 2009
„Was am 28. Juli 2007 mit ersten Verlustmeldungen der Deutschen Industriebank IKB begann, hat sich zur größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Immer mehr Banken halten sich nur noch mit staatlicher Hilfe am Leben, immer mehr Unternehmen geraten in den Strudel von ausbleibender Nachfrage und fehlender Liquidität.“
„Das ist fein beobachtet“, würde es bei Loriot jetzt heißen. Peter Bofinger ist einer der klugen Köpfe, die man in letzter Zeit immer öfter auf dem Bildschirm sieht, wenn es darum geht, kluge Worte und realistische Einschätzungen zu einer Sachlage zu geben, die eigentlich niemand wirklich beurteilen und deren Auswirkungen keiner abschätzen kann, weil es eine solche Krise in dieser Form eben so noch nie gegeben hat.
Aber immerhin: Bofinger lehrt Volkswirtschaftslehre und ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, einer der „Fünf Weisen“.
Wenn man eine „Entwicklung begutachtet“, dann klingt das ziemlich trocken und zurückgelehnt und so, als ob man dafür sehr viel Zeit hätte. Genau das haben wir in der aktuellen wirtschaftlichen Unwetterlage jedoch gerade nicht – Zeit.
Peter Bofinger geht in diesem neuen Buch nicht nur der Frage nach, ob der Markt noch zu retten ist. Das steht für ihn außer Frage. Vielmehr sucht er konkret nach Lösungsansätzen, wie verhindert werden kann, dass sich diese globale Wirtschaftskrise eine handfeste Systemkrise entwickelt. Die Stimmen, die meinen, dass der Kapitalismus sich nun endgültig selbst ins Aus befördern würde, häufen sich. Für Bofinger steht der Kapitalismus in Form einer sozial verträglichen Marktwirtschaft jedoch nicht zur Diskussion.
Damit dies auch so bleibt, unterstützt der Autor die These desjenigen Meinungslagers, das dem Staat größeren Einfluss auf die Wirtschaft genehmigen möchte. Das andere, neoliberale Lager vertritt immer noch die gegenteilige These, dass die Regelungsmöglichkeiten des Staates gerade jetzt noch mehr eingeschränkt werden müssten, damit sich der Markt „selbst reinigt“. Die Mehrheit der Bürger wird jedoch eher Bofingers Vorschlägen den Vorzug geben.
In seinem Buch nennt der Autor ganz konkrete Schritte, wie man die Finanzmärkte retten und eine drohende Systemkrise von der Marktwirtschaft abwenden könne. Ähnlich wie zuvor schon Norbert Röttgen („Deutschlands beste Jahre kommen noch“) meint Peter Bofinger, dass die deutsche Wirtschaft in den Zeiten der Krise die Globalisierung nicht per se verteufeln, sondern die positiven Aspekte eines weltweit geöffneten Marktes nutzen sollte. Globalisierung richtig verstanden, kann sich zu einer echten Chance für die deutsche Wirtschaft entwickeln.
Glaubt man dem Autor, so liegt es letztlich nur an der richtigen Einstellung dem Staat gegenüber, ob wir aus der gegenwärtigen Krise gestärkt hervor gehen oder ins volkswirtschaftliche Mittelmaß abrutschen. In Anlehnung an den bekannten Satz von John F. Kennedy: „Frage nicht, was Dein Staat für Dich tun kann, sondern was Du für Deinen Staat tun kannst!“ – Was erwarten wir von unserem Staat? Wollen wir „dem Staat“ möglichst wenig Einfluss auf unser Leben geben, oder sehen wir den Staat als einen großen Sinn-Zusammenhang, der sich aus dem verantwortlichen Handeln und der Meinungsvielfalt eines aktiven Bürgertums bildet.
Wie wir aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hervorgehen werden, entscheiden wir letztlich selbst. Die Mechanismen des Marktes sind für den Einzelnen weder nachvollziehbar noch beeinflussbar. Aber wenn eine Gesellschaft als Ganzes beginnt, verantwortlich zu handeln und den Staat nicht nur als Rettungsschild sondern als aktiv gestaltendes Handlungsnetz begreift, kann auch eine globale Wirtschaftskrise als eine echte Chance zum Neuanfang sein. Eine sozial verantwortliche Marktwirtschaft kann sich auch selbst erneuern, ohne dass wir in eine Systemkrise und hitzige Richtungsdebatten mit ungewissem Ausgang rutschen müssen.
Autor: Peter Bofinger
Titel: „Ist der Markt noch zu retten?“
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Marion von Schroeder Verlag
ISBN: 3430300436
EAN: 978-3430300438
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