Gerd Langguth: „Kohl Schröder Merkel – Machtmenschen“
Am: | Juni 22, 2009
Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel. Drei Kanzler-Persönlichkeiten, drei Machtmenschen. Was charakterisiert sie, was eint und was unterscheidet sie?
Dieser Frage geht Gerd Langguth in seinem neuen Buch „Kohl Schröder Merkel – Machtmenschen“ nach. Auf über 570 Seiten geht der Autor sehr ins Detail, beleuchtet die Eigenheiten jedes Kanzlerkandidaten und zeichnet drei Persönlichkeitsprofile, die jedes für sich in seiner Vielschichtigkeit faszinieren und nur wenig Raum für das Ziehen von Parallelen zu lassen scheinen.
Helmut Kohl, der Historiker aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz), aufgewachsen in einer kleinbürgerlichen Beamtenfamilie, hat 16 Jahre die Bundesrepublik regiert. – Gerhard Schröder, Niedersachse aus einfachen Verhältnissen, hat sich nach oben gearbeitet, bis er 1998 Kanzler wurde. – Angela Merkel hingegen stammt aus einem ostdeutschen Pfarrhaus und hat eher unspektakulär Stück für Stück ihre Chancen zum Aufstieg genutzt, kühl kalkuliert und steht nun seit 2005 als erste deutsche Kanzlerin an der Spitze der Großen Koalition.
Was haben diese Drei gemeinsam? Vielleicht müssen wir zunächst noch einen Schritt zurück gehen und grundsätzlich fragen, was unter Macht zu verstehen ist:
Macht wird häufig negativ betrachtet, doch im gesamten sozialen Leben wird sie ausgeübt, auch in einem demokratischen Staatswesen. Macht entsteht durch den Wunsch und die Fähigkeit, das Verhalten und Denken anderer zu beeinflussen und zu lenken.
Es ist in erster Linie der „Wille zur Macht“, den Gerd Langguth allen drei Persönlichkeiten bescheinigt, wenn es um die Durchsetzung der eigenen politischen Interessen geht. Sozialer Aufstieg und gesellschaftliche Akzeptanz sind Motivationen für den Machtanspruch eines Menschen. Bei Angela Merkel war dieser Aufstieg m kürzesten, sie kommt als Pfarrerstochter bereits aus einem bürgerlich-akademischen Umfeld; Helmut Kohl lebte in seinem Elternhaus in einem kleinbürgerlichen Milieu, und Gerhard Schröder hatte sich seinen Aufstieg aus dem Arbeitermilieu schwer erarbeiten müssen.
Interessant ist im Zusammenhang mit dem Machtgebrauch auch die Bindung zur eigenen Partei. Während Helmut Kohl seine Kraft vor allem aus der Identifizierung mit der Partei (und der Partei mit ihm) zog, war Schröders Verhältnis zur SPD zumindest zwiespältig. Machtkampf bedeutete für ihn vor allem auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Leuten, und Beschlüsse drückte er oft auch gegen die Mehrheiten der eigenen Partei durch. Angela Merkel ist ihrer Partei gegenüber zwar loyal eingestellt, ihre Einstellung ist jedoch eher kopfgesteuert als emotional. Sie hat das Emotional-Verbindende einer Parteiaktivität an der Basis oder in der Jugend nie erlebt.
Der Einfluss der Medien auf die Position des Kanzlers – und rückwirkend natürlich auch das Spiel dieser drei Machtmenschen mit den Medien – scheint in seiner Intensität zuzunehmen. Während Kohl sich seinerzeit regelrecht den Medien verweigerte, suchte Schröder den Kontakt zu den Medien, was ihm bald den Titel „Medienkanzler“ einbrachte. Angela Merkel benutzt die Medien aktiv als Sprachrohr ihrer Politik und scheut dabei auch nicht vor konträren Positionen zurück. Sie hat – ganz rational denkend – als Einzige wirklich begriffen, dass die Funktionslogik, die spezifische Chronistenpflicht der Medien nicht zu falscher Kumpelhaftigkeit führen darf.
Gerd Langguths Buch überzeugt durch seine akribische Recherche und die komprimierte Informationsdichte seiner Macht-Analyse. Wir haben hier im Grunde gleich drei Politiker-Biografien auf dem Tisch. Wer wenig Zeit hat, wird die zwei Exkurse Langguths am Ende seines Buches begrüßen, die wie eine Essenz auf wenigen Seiten seine Thesen zu den Motiven der Macht und einen direkten Vergleich jener drei Machtmenschen liefern.
Gerd Langguth ist ein ausgewiesener Kenner des Politikbetriebs und Autor hoch gelobter politischer Biografien. Wie man Macht gewinnt, wie man Macht ausübt und was Machtverlust bedeutet, zeigt Gerd Langguth exemplarisch am Beispiel dieser drei Kanzler-Persönlichkeiten.
Nach dieser Lektüre versteht man besser, was unsere Politiker im Allgemeinen und ganz besonders in den Spitzenpositionen antreibt: Es ist der unbedingte Wille zur Macht.
Autor: Gerd Langguth
Titel: „Kohl Schröder Merkel – Machtmenschen“
Taschenbuch: 580 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN: 3423247312
EAN: 978-3423247313