Sascha Adamek: „Die facebook-Falle – Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft“
Am: | Februar 14, 2011
Immer wieder wird betont, dass die freiheitlichen Bewegungen und Revolutionen in Tunesien, Ägypten und anderen nordafrikanischen Staaten nur durch Twitter und Facebook möglich geworden wären. Erst der beherzte Protest der internet-affinen Jugend hätte den Machtzerfall der verkrusteten Strukturen richtig in Gang gebracht.
Im Iran hat das leider nicht so gut geklappt, denn drei Wochen vor der Präsidentenwahl sperrten die iranischen Behörden den Facebook-Zugang. Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Mussawi hatte auf Facebook 5200 „Freunde“. Deren Namen und Identitäten lagen nun vor dem iranischen Geheimdienst auf dem Präsentierteller. Viele Oppositionelle wurden verhaftet, und ihnen wurden die Ausdrucke ihrer Facebook-Seiten vorgelegt, um mit ihrer Hilfe unter Androhung von Folter die Namen anderer „Freunde“ zu erpressen.
Das ist ein extremes Beispiel dafür, wie soziale Netzwerke, die eine globale Freiheit und eine geschützte Privatsphäre suggerieren, auf fatale Weise in einem totalitären Umfeld missbraucht werden können. Denn Facebook nimmt es mit der Privatsphäre nicht so genau. Doch selbst in Deutschland kann man mit Facebook seine Überraschungen erleben. Hierfür muss man nicht einmal selbst als Facebook-Mitglied registriert sein.
Facebook ist nicht unser Freund. Es muss ganz deutlich gesagt werden: Das soziale Netzwerk mit weltweit ca. 500 Millionen Nutzern ist kein privates Netzwerk für die geschützte Kontaktpflege und den Austausch von privaten Daten unter „Freunden“. Schon oft wurde der Begriff „Freund“ in den Medien kritisiert. So schnell, wie man bei Facebook „Freunde“ gewinnen und bei Bedarf auch wieder los werden könne, könne man wohl kaum von „Freunden“ sprechen. Einigen wir uns auf „Kontakte“, das klingt sachlicher und beschreibt besser, warum man Facebook benutzt: um schnell und bequem auch weit entfernte Kontakte zu pflegen. Allerdings klingt „Freunde“ besser, streichelt das Ego und trifft eher den Kern des Geschäftsinhalts von Facebook: virales Marketing (Empfehlungs-Marketing).
Denn Facebook ist ein kommerzielles Unternehmen, dass die Daten seiner User an Dritte weiter gibt, sich in deren E-Mail-Konten einhackt, die Adressbücher ausliest und somit nicht nur freizügig auf sensible Daten zugreift, sondern auf diese Weise auch noch unerlaubt Kontakt zu Menschen aufnimmt, die nichts mit Facebook zu tun haben (wollen). Das verstößt zwar massiv gegen deutsches Datenrecht, aber die 40.000 Server, auf denen alle Facebook-Daten unbefristet gespeichert werden, stehen überall auf der Welt.
Wer einmal auf den JA-Button klickt und der vertrauensvoll wirkenden Firma aus dem kalifornischen Palo Alto sein E-Mail-Passwort nennt, setzt damit eine Lawine in Gang, die er selbst kaum absehen kann.
Es klingt doch so einfach, nach einer Neuanmeldung die eigenen Freunde auf Facebook schneller zu finden, indem man Facebook die Arbeit tun und das egene E-Mail-Adressbuch mit allen bei Facebook registrierten Mitgliedern abgleichen lässt. Das ist auch praktisch, keine Frage.
Allerdings hat dadurch Facebook nicht nur mit einem Klick ab sofort Zugriff auf Ihr E-Mail-Postfach (außerhalb von Facebook!) und scannt mal schnell nebenbei auch noch den Inhalt des Mailverkehrs, sondern schreibt auch gleich eine Rundmail mit einer Einladung zu Facebook an alle im Adressbuch eingetragenen Kontakte.
Mal ehrlich, wir alle haben eine Menge Karteileichen in unseren Adressbüchern. Wer sein E-Mail-Postfach sowohl privat als auch beruflich benutzt, wird sich nicht darüber freuen, dass Facebook sowohl seine Ex-Freundin als auch den frischen Geschäftskontakt in seinem Namen zu Facebook einlädt.
Doch Facebook’s kommerzieller Datenklau hört an dieser Stelle natürlich noch nicht auf. Ein weiterer Facebook-Trojaner, der viel Unheil anrichtet, ohne dass man es gleich merkt, findet sich auf vielen Internetseiten außerhalb von Facebook. Am Beispiel von Bild.de zeigt Adamek, wie der Trojaner funktioniert. Auf Bild.de gibt es unter jedem Artikel einen „Gefällt mir“-Button von Facebook. Auch das ist im Grunde praktisch. Wenn mir ein Beitrag besonders gefällt, klicke ich auf den Button, und alle meine Facebook-„Freunde“ erhalten eine kurze Meldung, dass mir dieser Artikel besonders gut gefällt.
Wie viel Datenmüll auf diese Weise bei 200, 300 „Freunden“ produziert wird, ist die eine Seite; die Kehrseite ist die Weitergabe jener „Fußspuren“ an die „Partnerunternehmen“ von Facebook. Wenn mir ein Beitrag über Autos von Mercedes „gefällt“, erhalte ich umgehend in meinem Facebook-Posteingang auch Werbemails von Mercedes. Dabei hatte ich den Autokonzern noch gar nicht zu meinen „Freunden“ geaddet (hinzugefügt).
Leider macht der „Gefällt mir“-Button noch mehr. Nehmen wir an, Sie sind (hoffentlich) noch nicht bei Facebook, besuchen aber, was sehr wahrscheinlich ist, zufällig eine Seite, auf der dieser „Gefällt mir“-Button installiert ist. Dann überspielt Facebook ganz automatisch (das ist Service!) ein Cookie auf Ihren PC, das zwei Jahre lang gültig ist. Jeder neue Besuch einer solchen Seite erneuert die Laufzeit des Cookies. Wenn Sie dann innerhalb der nächsten zwei Jahre sich doch bei Facebook registrieren lassen, weiß Facebook schon eine Menge über Ihr Surf- und Kaufverhalten, Ihre Hobbies, Interessen und bevorzugten Marken. Ist doch schön!
Seit langem ist bekannt, dass Facebook ganz oben auf der Liste derjenigen Adressen steht, die von Personalchefs besucht werden, wenn sie auf die Suche nach den Datenspuren gehen, die ein Bewerber im Netz hinterlassen hat. Schlüpfrige Party-Bildchen und ein dubioser „Freundes“-Kreis bei Facebook werfen schnell ein anderes Bild auf den adretten jungen Mann, der sich auf die Stelle bei der Bank bewirbt.
Dennoch laden die 500 Millionen Facebook-Mitglieder (darunter ca. 20 Millionen im deutschsprachigen Raum) pro Monat fast drei Milliarden Fotos und zehn Millionen Videos pro Monat auf die weltweit 40.000 Server. Das ist nicht nur eine unglaubliche Datenmenge, sondern für Facebook die Lizenz zum Gelddrucken, das Schlaraffenland für kommerzielle Daten-Minenarbeiter. Die professionelle Verwertung und der Verkauf all dieser Daten macht Facebook zu einem wirtschaftlichen Schwergewicht mit einem Marktwert von ca. 50 Milliarden US-Dollar.
Damit wir nicht alle früher oder später in die Facebook-Falle tappen, hat sich der Journalist Sascha Adamek einem Selbstversuch unterworfen und hinter den Kulissen recherchiert. Was er über den Freundschaftsdienst Facebook herausgefunden hat, klingt alles anderes als freundlich. Wir haben es hier mit einer Daten-Krake zu tun, die ihre wahren Interessen hinter einer lächelnden Maske zu verstecken versucht.
Sascha Adamek hat in jahrelanger Recherche und im Selbstversuch am eigenen Leib erfahren, was Facebook mit unseren Daten macht. Längst ist das jugendliche und freundschaftliche Image des weltweit größten sozialen Netzwerks angekratzt. Doch Adamek liefert eine Menge weiterer, zum Teil erdrückender Beweise für den skrupellosen Umgang mit sensiblen Daten.
Sascha Adamek arbeitet seit 15 Jahren für den rbb und den WDR als Filmemacher und Journalist, u.a. für die Polit-Magazine „Monitor“ und „Kontraste“. Sein Buch „Die Facebook-Falle“ beschreibt nicht nur die problematischen Fälle von Datenmissbrauch dieses Global Players, die zum Teil bekannt sind. Er deckt auch die Hintergründe auf, die den kalifornischen Konzern zu einem der mächtigsten Datensammler der Welt machen, zeigt die Hintermänner und Geldgeber, die Verstrickungen mit den Geheimdiensten sowie die Abgründe eines rücksichtslosen Orientierung an Gewinnmaximierung. Was einst als Freundesnetzwerk begann, ist längst zu einem Konsumentennetzwerk mutiert.
Facebook unterhält beste Beziehungen zum Pentagon, zur CIA und zum Weißen Haus. Unsere Daten sind wichtig, nicht nur für die Unternehmen, die mittels Data Mining der von Facebook gelieferten User-Informationen immer auf der Suche nach neuen Kunden sind, sondern auch für die Geheimdienste, die ebenfalls Zugriff auf diese Daten haben.
Deutsche Datenschützer stehen dieser Situation machtlos gegenüber. Facebook verweigert jede Zusammenarbeit, ja meist sogar die Kommunikation mit den deutschen Behörden.
Letztendlich bleibt dem Internet-Surfer nur der Selbstschutz. Wie wir uns vor Facebook’s Zugriffen schützen können und nicht unsere Privatsphäre auf unbestimmte Zeit preisgeben, zeigt Adamek in seinem hervorragend recherchierten und flüssig geschriebenen Buch auf 350 Seiten.
Autor: Sascha Adamek
Titel: „Die facebook-Falle – Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft“
Broschiert: 352 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
ISBN-10: 3453601807
ISBN-13: 978-3453601802
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