Hans-Martin Tillack: „Die korrupte Republik“
Am: | Juni 9, 2009
Nach der Definition der Weltbank ist Korruption der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil. – Welches Bild haben Sie von den Politikern unseres Landes?
Wir erfahren eine Menge durch die täglichen Nachrichten: Lobbyarbeit, Behörden-Sponsoring, Kungeleien und Schmiergeld-Affären und die Verzahnung von Politik, Bürokratie und Wirtschaft sind immer wieder der Grund für skandalträchtige Schlagzeilen in den Medien.
Hans-Martin Tillack ist Journalist und Publizist; er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Korruptionsrecherchen. Besonders bekannt wurde sein Buch „Raumschiff Brüssel. Wie die Demokratie in Europa scheitert.“, das er 2003 zusammen mit Andreas Oldag veröffentlichte. Seine EU-Berichterstattung für den stern brachte Tillack 2005 den Leipziger Medienpreis ein.
In seinem neuen Buch „Die korrupte Republik“ liefert er unzählige Beispiele für Korruption und Kungeleien in Deutschland. Was in den Nachrichten auftaucht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Das gesamte politische System der Berliner Republik scheint betroffen zu sein von einer unheilvollen Verstrickung der Interessen von Wirtschaft, Bürokratie und Politik.
Bei der Bekämpfung von Korruption ist die Regierung nur zu halbherzigen Schritten bereit. In der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, geschlossen Ende 2005, wird die „konsequente Korruptionsbekämpfung“ nur ein einziges Mal erwähnt, bezeichnender Weise im Kapitel „Entwicklungshilfe“. So als trete diese Problem nur in den Ländern der Dritten Welt auf und nicht in Deutschland.
Tillack berichtet von einem Land, in dem es nicht strafbar ist, einen Parlamentsabgeordneten zu bestechen; ein Land, in dem ein Regierungschef unmittelbar nach seiner Amtszeit in den Dienst eines Konsortiums tritt, dessen Geschäftsvorhaben er zuvor befördert hat; ein Land, in dem ein Kanzler eine millionenschwere schwarze Spendenkasse geführt hat und trotzdem weiterhin hoch angesehen ist. – Ja, wir reden von Deutschland.
Der Autor zeigt, wie durch großzügige Sachspenden der Wirtschaft die offiziellen Empfänge der Ministerien ganz unverhohlen gefördert werden, wofür allerdings auch gewisse „Gegenleistungen“ der Politik erwartet werden. Auch Krankenkassen verwenden das Geld ihrer Beitragszahler, um Kongresse des Bundesgesundheitsministeriums zu sponsern, und Energieversorger helfen dem Staat – natürlich ganz selbstlos – bei der Ausrichtung der Klimaschutz-Konferenz mit ihrer tatkräftigen Unterstützung.
Transparency International ist keine Nicht-Regierungs-Organisation, sondern eine internationale Bank. Sie bewertet das Korruptions-Klima eines Landes mit einem Wert zwischen 0 und 10, wobei 10 der maximale Wert höchster gefühlter Korruption ist. Im Jahr 2008 erhielt Deutschland die Note 7,9 und liegt damit nach internationaler Einschätzung keineswegs mehr in einem vertrauenswürdigen Bereich.
Was in anderen Ländern seit vielen Jahren üblich ist, die Transparenz der Vertragsinhalte öffentlicher Aufträge und die konsequente Verfolgung von Bestechung und illegalen Absprachen, scheint deutschen Politikern der regierenden Parteien eher unangenehm zu sein. Man beruft sich in Deutschland gern auf das Amtsgeheimnis, das den Staat dazu berechtigt, den Bürgern keine Auskunft darüber zu geben, wie mit den Steuergeldern umgegangen wird.
Auf über 200 prall mit Fakten gefüllten Seiten zieht Tillack den Vorhang beiseite und lässt den Leser auf ein Szenario blicken, von dem man zwar immer wusste, dass es existierte, jedoch nie dessen wirkliches Ausmaß erahnen konnte.
Nun sehen wir klarer. Das Personenregister versammelt übrigens über 400 Namen. Sie sind alle dabei. Machen Sie sich ein Bild. Lesen Sie dieses Buch. Gerade jetzt im Superwahljahr 2009.
Eine politische Meinung bildet sich nur durch die Lektüre abstrakter Parteiprogramme, sondern auch angesichts des konkreten Verhaltens der politischen Klasse.
Autor: Hans-Martin Tillack
Titel: „Die korrupte Republik“
Gebundene Ausgabe: 250 Seiten
Verlag: Hoffmann und Campe
ISBN: 3455501095
EAN: 978-3455501094
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