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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Margarete Stokowski: „Die letzten Tage des Patriarchats“

Am: | Februar 4, 2019

Liebe Männer, die guten Zeiten sind vorbei. Ob sie wirklich gut waren, die Zeiten, mag eine Frage des Standpunkts sein. Aus Sicht vieler Frauen waren es zumindest keine guten Zeiten, und die Endzeit des Patriarchats scheint nun doch endlich — nach vielen gescheiterten Versuchen — endgültig eingeläutet zu werden.

Noch gibt es kleine Reservate, in denen sich männliche Hominiden immer noch so verhalten, wie sie es über Jahrmillionen getan haben. Doch diese kleinen Schutzzonen in den Vorstandsetagen, Oligarchen-Ghettos, an den Stammtischen und Jägervereinen werden ständig kleiner. Mit anderen Worten: Es ist vorbei.

Das groß angelegte Langzeit-Projekt einer patriarchalisch kontrollierten Ausbreitung der menschlichen Kultur steht vor einem Paradigmenwechsel. Wenngleich es wie selbstverständlich zur DNA dieses Kulturprojekts gehörte, Menschlichkeit mit Männlichkeit zu identifizieren, scheinen sich nun (nicht gerade plötzlich) andere, sprich: weibliche Interessengruppen verstärkt Gehör zu verschaffen.

Im Namen der Gerechtigkeit und der paritätischen Machtverteilung unter den Geschlechtern kommt es nun zu einem Umlenken der Kräfte und zu einem Umdenken in den Köpfen. Auf einmal scheint der männliche Verstand (und nur diesen männlichen Verstand gibt es ja, sonst hieße es ja auch „das Verstand“ oder „die Verstand“!) — auf einmal scheint dieser männliche Verstand in seiner Existenz und Einzigartigkeit angezweifelt zu werden.

Natürlich sind die Frauen schuld, wer sonst?! Während die Männer draußen für ihre Familie mit Säbelzahntigern und Umsatzzahlen kämpfen, ruhen sich die Frauen daheim aus und lackieren ihre Fingernägel. Doch bald schon wird es umgekehrt sein! Der Mann wird zuhause bleiben und sich ausruhen können, während die Frauen in Zukunft den Laden schmeißen.

* * *

Nach so vielen Klischees kommen wir nun endlich zu diesem wundervollen neuen Buch mit den unterhaltsamen Essays von Margarete Stokowski. 75 Texte aus etwa 200 Kolumnen, die die Autorin über die Jahre für die taz und den SPIEGEL geschrieben hat, sind in diesem mit einem schönen grauen Hardcover versehenen Buch versammelt.

Es ist ein wahrer Lese-Schmaus! — Wobei Schmaus ein seltsames Wort ist, irgendwie. Es sieht nach Maus aus und erinnert ans Schmusen, doch weder Maus noch Schmusen sind angebrachte Wörter, wenn ein Mann ein Buch mit feministischen Essays rezensiert.

Wie? Die Essays sind nicht feministisch? Nein, das sind sie im Grunde wirklich nicht. Was viele mit dem Label „feministisch“ verbinden, lässt sich hier nicht finden. Doch es geht immer um Gleichberechtigung und um den Versuch einer Beschreibung unserer aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse jenseits aller Geschlechter-Stereotype. So etwas ist schwierig, und schon dafür allein verdiente Stokowski unsere größte Anerkennung.

Dass sie darüber hinaus auch noch stilistisch schöne und unterhaltsame Texte schreibt, macht die Sache noch besser! — Deshalb sind diese Kolumnen in der Tat eine Lese-Schmaus: eine „reichhaltige, besonders leckere Mahlzeit, die mit Genuss verzehrt wird“, wie es im Duden heißt.

Viel Spaß beim Lesen und beim Umdenken überkommener Geschlechter-Rollen! Die letzten Tage des Patriarchats sind längst angebrochen. Der Letzte macht das Licht aus.

 

 

 

Autor: Margarete Stokowski
Titel: „Die letzten Tage des Patriarchats“
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Rowohlt Buchverlag
ISBN-10: 9783498063634
ISBN-13: 978-3498063634

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