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Tobias Hoffmann (Hg.): Zeitenwende. Von der Berliner Secession zur Novembergruppe. 1898 bis 1919

Am: | Dezember 28, 2015

Tobias Hoffmann (Hg.): Zeitenwende. Von der Berliner Secession zur Novembergruppe. 1898 bis 1919Die Ausstellung Zeitenwende im Berliner Bröhan-Museum befasst sich mit der vielleicht dynamischsten Zeit der deutschen Kunstgeschichte. Innerhalb von nur zwanzig Jahren bilden die Ausstellung und der hier vorgestellte Katalog jene „Tour de Force“ der deutschen Kunst ab, die sich aus ihrer Emanzipation vom offiziellen Kunstbetrieb des Wilhelminischen Kaiserreichs bis zu den revolutionären Künstlergruppen zu Beginn der Weimarer Republik derart rasant entwickelte, dass jene Kultur der Abspaltung, der Secession, dazu führte, dass sich immer neue Künstlervereinigungen bildeten, deren Hauptziel zunächst in der Abgrenzung gegenüber ihrer Muttervereinigung bestand und dann erst in einem zweiten Schritt auch die Abgrenzung und Ablehnung des offiziellen Kunstbetriebs beinhaltete.

Der Katalog setzt mit der Berliner Secession ein, die sich 1898 unter der Leitung von Max Liebermann bildete. Alexandra Panzert, eine der kompetenten Autoren der interessanten Beiträge und Einführungen in die jeweiligen Ausstellungsabschnitte, weist gleich zu Beginn darauf hin, dass die Berliner Secessionen in erster Linie aus einer negativen Haltung heraus entstanden:

Sie verweigerten sich den bestehenden Verhältnissen des kaiserlichen Kunstbetriebs und dem herrschenden bürgerlichen Kunstverständnis. Sie waren jedoch keine Künstlervereinigungen, die einer bestimmten neuen Malschule anhingen, einen eigenen Stil verfolgten und am Kunstmarkt etablieren wollten. Insofern greift das gängige Bild der Avantgarde im Zusammenhang mit den Berliner Secessionen nicht wirklich.

Jener negative Habitus der Secessionen zieht sich durch die gesamte Zeit der in Ausstellung und Katalog behandelten Kunstgeschichte. Von der Berliner Secession spaltete sich bereits 1910 die Neue Secession ab, 1914 folgte die Freie Secession und 1919 schließlich die Novembergruppe.

Waren die ersten Abspaltungen vor allem den Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Auswahl der ausgestellten Bilder und den Rahmenbedingungen des öffentlichen Handelns und Auftretens der jeweiligen Secession geschuldet, versuchten die Künstler der Novembergruppe im Zeichen der deutschen Revolution von 1919 eine verstärkt politische Ausrichtung der Kunst zu forcieren.

Die Ausstellung Zeitenwende versammelt zahlreiche Werke aus allen wichtigen Kunstströmungen jener Zeit – Impressionismus, Symbolismus, Expressionismus, Kubismus, Neue Sachlichkeit und Konstruktivismus – aus der Perspektive der Berliner Künstlervereinigungen. Sie bildet somit auch ein historisches Panorama ab, das sich vom Kaiserreich über die Zeit des Ersten Weltkriegs bis zum Beginn der Weimarer Republik erstreckt.

Der Ausstellungskatalog ist im renommierten Hirmer-Verlag erschienen, umfasst rund 268 Seiten im üblichen Katalogformat und ist in der für den Verlag typischen hohen Qualität produziert worden. Seine reiche Illustration in hoher Auflösung und farbechter Wiedergabe machen einen Besuch der Ausstellung fast überflüssig; dennoch sollte man die Ausstellung auf jeden Fall besuchen, denn die Wirkung der Originale kann durch kein Buch ersetzt werden. Allerdings sollte man für einen optimalen Kunstgenuss zuerst das Buch lesen und durcharbeiten, die Bilder mit den sie begleitenden Texten rezipieren um zu verstehen, was man (dann) in der Ausstellung wirklich sieht.

Die Geschichte hinter den Bildern und die zahlreichen Informationen über Gesellschaft, Politik und Kunstbetrieb jener Zeit ihrer Entstehung lassen den Leser diese Ausstellung mit anderen Augen durchwandern. Die hohe fachliche Kompetenz der Autoren dieses Katalogs geht zum Glück nicht zulasten der Lesbarkeit der Texte. Fußnoten sind reichlich zu finden, werden jedoch dankenswerter Weise ans Ende der einzelnen Beiträge gestellt, so dass man die Texte mit den Fußnoten studieren kann, aber nicht muss.

Der Katalog zur Ausstellung Zeitenwende ist eine sehr gelungene Publikation, die man (notfalls) auch ohne die dazu gehörige Ausstellung lesen kann und sollte. Sie befasst sich mit der wohl spannendsten und lebhaftesten Phase der deutschen Kunstgeschichte, jener Zeitspanne von 1898 bis 1919, und liefert das schillernde Mosaik der frühen modernen Kunst in Deutschland. Auf diese Weise darf man zurecht behaupten, dass dieser Katalog das Zeug dazu hat, zu einem Standardwerk zu werden!

 

Autor: Tobias Hoffmann (Hg.)
Titel: Zeitenwende. Von der Berliner Secession zur Novembergruppe. 1898 bis 1919
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Verlag: Hirmer
ISBN-10: 3777424994
ISBN-13: 978-3777424996

 

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