E. M. Forster: „Die Maschine steht still“
Am: | Oktober 31, 2016
Man kennt E. M. Forster als den Autor von „Wiedersehen in Howards End“ oder von „Zimmer mit Aussicht“. 1879 in London geboren, zählt er zu den einflussreichsten Schriftstellern der Klassischen Moderne in der englischen Literatur. Jetzt ist im Hoffmann und Campe-Verlag ein schmales Bändchen mit einer frühen Erzählung Forsters erschienen: „Die Maschine steht still“.
Im Jahre 1909 erschien im Magazin The Oxford and Cambridge Review die Erzählung eines jungen Schriftstellers mit dem Titel „The Machine stops“. Dieser kurze Text entführt den Leser in die Zukunft; was Forster hier beschreibt, ist eine Welt, in der sich die Menschen komplett von DER MASCHINE abhängig geworden sind.
Der Autor zeichnet das düstere Bild einer dystopischen Welt, welches durch viele seiner Details verblüfft. An mehreren Stellen stoßen wir auf Beschreibungen moderner Technologien, die sich wie Vorahnungen unserer Internet- und Cyber-Welten lesen. Als E. M. Forster seine Erzählung geschrieben hatte, war die westliche Welt von einem geradezu rauschhaften Fortschrittsglauben gefangen; die technologischen Entwicklungen überschlugen sich, und man vertraute auf die Technik als dem Allheilmittel für alle politischen und gesellschaftlichen Probleme.
Forster hat diese unkritische Technikgläubigkeit seiner Zeit interpoliert und eine ferne Zukunft beschrieben, die sich vollends in den Dienst DER MASCHINE stellt. Der Maschinenkult wird durch das einzige gedruckte Buch, das es noch gibt, DAS BUCH DER MASCHINE, symbolisiert. In diesem Buch liest man, um sich zu erbauen, um sich der Omnipotenz der Maschine zu vergewissern, um DIE MASCHINE anzubeten.
Was uns heutige Leser wirklich verblüfft, sind die visionären Details dieser Erzählung, die in ihrer Häufung dazu beitragen, dass wir diesen kurzen, fiktionalen Text durchaus auch als eine Mahnung lesen können, was den eigenen kritischen Umgang mit den Technologien unserer Zeit betrifft. Der Internet-Guru Jaron Lanier bezeichnet „Die Maschine steht still“ als die vermutlich „früheste und wahrscheinlich auch heute noch treffendste Beschreibung des Internets“.
Die Menschen in Forsters Dystopie verlassen ihr Zuhause nicht mehr. Sie sitzen vor ihren „blassblauen Bildschirmen“, über die sie mit der Welt kommunizieren, Informationen empfangen und sich alle Annehmlichkeiten des täglichen Lebens ins Haus kommen lassen. Alle Funktionen und Abläufe werden von DER MASCHINE selbst gesteuert; ein MASCHINENGREMIUM kümmert sich um die besten Einstellungen und um die Korrekturen, wenn es einmal eine Störung geben sollte. Alles läuft unsichtbar und im Hintergrund ab. Die isolierten Menschen werden mit allem Nötigen und Angenehmen versorgt. Im Gegenzug liefern sie der Maschine Informationen, sie halten Vorträge, schreiben Beiträge und liefern haufenweise personalisierte Daten, die der Maschine die Optimierung ihres Betriebs ermöglichen.
Das alles klingt für uns sehr vertraut. Wer sich auf diesen Text einlässt, wird bei seiner Lektüre automatisch einen neuen Blick auf unsere schöne neue Internet-Welt werfen. Sehr gelungen aus dem Englischen übersetzt von Gregor Runge, ist dieses schmale Büchlein im Hardcover jetzt auf Deutsch bei Hoffmann und Campe erschienen: 78 Seiten spannender Lesespaß mit einem sehr ernsten Hintergrund.
Autor: E. M. Forster
Titel: „Die Maschine steht still“
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten
Verlag: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
ISBN-10: 3455405711
ISBN-13: 978-3455405712
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