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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Wolf-Rüdiger Osburg und der Osburg-Verlag

Am: | Januar 21, 2010

Am 03.12.09 führte kulturbuchtipps ein zweistündiges Gespräch mit dem Verleger Wolf-Rüdiger Osburg über sein Leben, seine Motivationen und natürlich über seinen Verlag.

Als er seinen Freunden von der Idee erzählte, einen Verlag zu gründen, stieß Wolf-Rüdiger Osburg auf breite Ablehnung. Man solle sein Hobby niemals zum Beruf machen, riet man ihm. Die meisten hatten nur ein müdes Kopfschütteln übrig oder hielten es für eine fixe Idee. Doch Osburg hat sich schon immer für Geschichte interessiert, und der Traum vom eigenen Verlag gärte schon seit vielen Jahren in ihm. Also alles andere als eine fixe Idee.

Der gebürtige Hamburger hatte schon als Junge ein Faible für Geschichte, Archäologie und Völkerkunde. So lief er ständig mit einer kleinen Ausgabe des „Ploetz“ durch die Gegend und kannte schon mit Acht die Stammbäume der Fürstenhäuser auswendig. Die Begeisterung für vergangene Zeitalter, berühmte Persönlichkeiten und das Leben der Menschen in früheren Epochen rissen niemals ab. So war es ganz natürlich, dass er nach dem Abitur in den 1970er Jahren ein Studium der Archäologie und Geschichte begann.

Dann jedoch saß der Hamburger Student Osburg im ersten Semester an einem ganz normalen Tag im Palmengarten des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Köln, wo er sich eine Woche lang zu Studienzwecken aufhielt, und plötzlich fochten ihn Zweifel an. Osburg ist ein Mann von klaren Zielen und von schnellen, aber wohl überlegten Entscheidungen. Grübeleien sind nicht seine Sache. An diesem Tag kam er nur kurz ins Grübeln, ob das Studium mit seinen theoretischen und bestenfalls in eine akademische Laufbahn führenden Ansätzen für ihn der richtige Weg sein würde. Aus diesem flauen Bauchgefühl heraus entschied er sich kurzerhand, das Studium zu beenden und Jura zu studieren.

Wolf-Rüdiger Osburgs Weg führte dann als Jurist in die Wirtschaft. Über Umwege landete Osburg als Wirtschaftsjurist beim internationalen Mineralöl-Konzern Shell. Später leitete er die Autopflege-Sparte; und als er erfuhr, dass diese Sparte zum Verkauf stand, schlug Osburg gemeinsam mit einem Partner zu und machte sich selbständig. Wie gesagt, Osburg ist ein entscheidungsfreudiger Mensch, und seine stark ausgeprägten Unternehmer-Qualitäten sind wohl auch ein Schlüssel zu seinem Erfolg als Verlagsgründer.

Gleichzeitig ließ ihn seine Begeisterung für Geschichtsthemen niemals los. In seiner Freizeit beschäftigte sich Osburg – neben der Gründung einer Familie – mit geschichtlichen Themen. Besonders am Herzen lag ihm die Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Veteranen und Augenzeugen jener Zeit lebten in den 1980er Jahren noch, aber es wurden altersbedingt immer weniger. Wolf-Rüdiger Osburg brannte vor Interesse, spürte die einmalige Chance, die sich ihm bot, und nahm diesen Wettlauf mit der Zeit auf.

Auch hier zeigte sich schnell der für Osburg so typische schnörkellose Pragmatismus. Zunächst ließ er sich von einer Universität bescheinigen, dass er an einem ernsthaften Projekt zum Ersten Weltkrieg arbeite. Dann klapperte er mit dieser Bescheinigung in der Hand bundesweit die Meldeämter ab und ließ sich lange Listen mit Hochbetagten ausdrucken – eine unkonventionelle Vorgehensweise, die in unserer Zeit der verschärften Datenschutz-Richtlinien wohl kaum mehr denkbar ist.

Osburg schrieb dann alle Personen dieser Liste mit einem einfühlsamen Brief an, und aus den Rückmeldungen stellte er sich seine Interview-Partner zusammen. So unternahm er neben seiner Arbeit bei Shell meistens am Wochenende von Hamburg aus lange Autofahrten in alle Teile des Landes, um vor Ort die letzten noch lebenden Augenzeugen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu interviewen. Als Ergebnis dieser umfangreichen und langwierigen Recherche kann man diese einzigartigen Augenzeugenberichte in dem Grundlagenwerk „Hineingeworfen – Der Erste Weltkrieg in den Erinnerungen seiner Teilnehmer“ nachlesen, das auch bei kulturbuchtipps besprochen wurde.

Das Buch erschien zunächst im Jahr 2000 in einem regionalen Verlag, der Aschendorffschen Verlagsbuchhandlung Münster – mit entsprechend wenig Resonanz. 2009 veröffentlichte Osburg dann die komplett überarbeitete Neuauflage im eigenen Verlag. Seitdem zählt „Hineingeworfen“ zu den Standardwerken über den Ersten Weltkrieg und wird auch von deutschen und internationalen Historikern als Pionierarbeit gewürdigt und hoch gelobt.

Das Buch des Autors Wolf-Rüdiger Osburg ist ein schönes Beispiel für den Themenschwerpunkt, den der Osburg-Verlag auf erzählte Geschichte legt. Das Verlagskonzept lässt sich nicht knapper zusammen fassen als mit dem Slogan des Verlags: „Menschen und ihre Geschichte“. Die Verknüpfung von Geschichtsthemen und persönlichen Berichten bildet die Grundlage aller Bücher die im Osburg-Verlag erscheinen.

So startete der Osburg zunächst als Sachbuchverlag, aber in dem Verlagsprogramm finden sich immer mehr belletristische Titel. Diese Bücher müssen sich allerdings harmonisch in das Verlagskonzept einfügen, sonst wären sie für Osburg keine Option.

Bei der Strukturierung seines Verlags setzt Osburg auf kurze Wege und flache Hierarchien. Auch wenn im Zusammenhang mit Osburg immer wieder von einer „Verlegerpersönlichkeit im klassischen Stil“ gesprochen wird, ist der hoch gewachsene Hamburger ein Anhänger des konsequenten Teamgedankens.

Sein Team besteht aus wenigen Mitarbeitern, die gleichberechtigt mit ihm über die wenigen neuen Titel der Saison streiten. Diese Beschränkung auf nur etwa 7-9 Titel pro Halbjahr ist bewusst gewählt, um sich besser und intensiver mit den Autoren und ihren Texten auseinander setzen zu können.

Osburg selbst versteht sich demnach als Teil seines Teams und als gleichberechtigter Diskussionsteilnehmer. Am Ende muss jedoch jemand die Entscheidungen treffen, aber das war für Osburg noch nie ein Problem. So versteht er sich selbst auch nicht als „Manager“, sondern als ein typischer Unternehmer: „Als Unternehmer musst Du jemand sein, der an irgendeiner verrückten Stelle sagt: Das mache ich!

Im Jahr 2006 gegründet, startete der Osburg-Verlag gleich mit einem Erfolgstitel: „Der Orientalist“ von Tom Reiss. Die deutsche Übersetzung einer Biografie des schillernden Exzentrikers und Orientforschers Essad Bey bescherte dem Verlag einen ersten großen Publikumserfolg. Danach war Wolf-Rüdiger Osburg trotz seiner Außenseiter-Stellung als „Quereinsteiger“ sofort in der deutschen Verlagsszene etabliert.

Die Bücher des Osburg-Verlags zeichnen sich nicht nur durch eine hervorragende inhaltliche Qualität und fachliche Kompetenz seiner Autoren aus; die Bücher sind auch ein haptisches, sinnliches Erlebnis. Hardcover-Ausgaben mit einem solch klaren Satzspiegel und einer derart guten Bindung, dass man dem Buch auch nach einmaliger Lektüre die Benutzung kaum ansieht – solche Bücher sind selten geworden. Beim Osburg-Verlag gehören sie zum Standard.

Im vergangenen Jahr konnte Osburg den tschechischen Erfolgsautor Pavel Kohout für den Osburg-Verlag gewinnen. Sein letzter Roman „Die Schlinge“, eine Liebesgeschichte aus der Zeit der Schauprozesse in der frühen CSSR, wurde auch bei kulturbuchtipps besprochen und wurde zu einem weiteren Erfolg für den Verlag. Pavel Kohout wird auch seine weiteren Bücher bei Osburg verlegen; eine Neuauflage seiner wichtigsten früheren Titel ist in Planung.

Die Neuerscheinungen des Frühjahrs 2010 zeigen die große Bandbreite der Geschichtsthemen, mit denen sich Osburg mittlerweile befasst. Von einer Biografie der Puppenmutter Käthe Kruse über den italienischen Autor Andrea Giovene, der eine Familiensaga im Italien des 20. Jahrhunderts geschrieben hat, bis hin zum Roman-Debüt „Wintersonate“ von Eugene Drucker, dem Mitbegründer des Emerson String Quartets, über die Erlebnisse seines Vaters im Dritten Reich sowie den finnischen Autor Roy Jacobsen und seinen Bericht über „Das Dorf der Wunder“, die Geschichte eines Finnen, der 1939 den Einmarsch der Sowjettruppen in seinem kleinen Dorf erlebt.

Die wohl spektakulärste Neuerscheinung des Frühjahrs 2010 wird jedoch die auf bislang unbekannten Dokumenten basierende Biografie des Geheimdiplomaten Graf Goertz sein, des „großen Unbekannten“ von Weimar und Potsdam und seiner Schlüsselrolle zwischen Goethe, Charlotte von Stein und Anna Amalia.

Auch mit diesem Titel wird der Osburg-Verlag wieder sowohl die Diskussionen der Historiker als auch unser Bild von der Potsdamer und Weimarer Geschichte um einige wichtige Facetten bereichern können.

Wir dürfen also gespannt sein auf die neuen Titel dieses Frühjahrs sowie auf den weiteren Erfolgsweg des Osburg-Verlags und seines Verlegers Wolf-Rüdiger Osburg.

www.osburg-verlag.de

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