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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Daniel Chamovitz: „Was Pflanzen wissen — Wie sie schmecken, hören und sich erinnern“

Am: | Oktober 11, 2019

Der Autor möchte hier nicht die Verwandtschaft von Mensch und Pflanze schildern. Als das 1974 durch populärwissenschaftliche Abhandlung versucht wurde, ging auch teilweise die Wissenschaft auf dubiose Pfade. Seitdem sind Jahrzehnte vergangen und die Forschung hat große Fortschritte gemacht.

In der Pflanzenbiologie erkennt man nun die Sinne der Pflanzen. Sie sind ungeahnt komplex, teilweise mehr als bei Tieren. Um das ganz genau zu schildern, müsste dies aber ein Fachbuch für Wenige werden. Herr Chamovitz möchte jedoch für den interessierten Leser einen Überblick über die Erkenntnisse geben.

Dafür wird in jedem Kapitel ein menschlicher Sinn beschrieben. Wie der Sinneseindruck wahrgenommen und verarbeitet wird und zu welchen Konsequenzen es führt. Das wird verglichen mit denen der Pflanzen.

Dazu kommen noch die Kapitel „Woher eine Pflanze weiß, wo sie ist“ / „Woran sich eine Pflanze erinnert“ und der „Epilog: Die wahrnehmende Pflanze“.

Hier werden bewusst die Begrifflichkeiten genommen, damit der Leser beispielsweise über „sehen“ und „riechen“ und der Bedeutung nachdenkt. Eine Pflanze hat kein Gehirn oder Zentralnervensystem, um die Eindrücke zu verarbeiten. Und doch muss sie zwingend erkennen, was um sie herum ist. Ob Schädlinge sie anknabbern oder Sturm stärkere Äste erfordert, welche Kommunikation mit anderen Pflanzen nötig ist und wie sie sie auf beste Weise auslöst usw.

Wussten Sie beispielsweise, dass die Gene einer Pflanze, die zur Definition von Licht führen, auch bei allen anderen Wesen vorhanden sind? Mensch und Tier! Und sie „sehen“ mehr als wir uns überhaupt vorstellen können, so beispielsweise ultraviolettes Licht oder Infrarotlicht. Die ersten Versuche dieser Wahrnehmung führte übrigens Darwin mit seinem Sohn aus.

Zum Thema Geschmack wird auch der Fortschritt, der uns zum Übel gereichte, geschildert. Wie in allen Kapitel ist die Historie aufgezeigt und die Bedeutung für heutige Zeiten. So bemerkte man irgendwann das verstärkte Wachstum der Pflanzen, wenn sie bekamen, was ihnen „schmeckte“ – guten Mist. Was daraus die Industrialisierung machte und mit welchen Folgen, ist eine andere Geschichte.

Pflanzen sind im Grunde lernfähiger oder –williger als Menschen. Deren „Gedächtnis“ dient der Abhilfe erfahrener Schwierigkeiten. Wir Menschen sind dagegen resistent, Fehler werden gerne wiederholt.

Pflanzen „fühlen“ auch nicht wie wir Enttäuschung, Hoffnung oder Frustration. Aber sie haben taktiles Empfinden. Und oft wesentlich feiner als wir. Eine Haargurke empfindet 10 Mal feiner als Menschen.
Den Irrtum, wir sind die Krone der Schöpfung, könnte man also auch im Vergleich zu Pflanzen ruhig einmal überdenken. Oder nach der leichten, sehr belehrenden und doch höchst unterhaltsamen Lektüre einfach nicht zu laut behaupten. Die Welt ist geheimnisvoller als vermutet.

(c. s.)

 

 

Autor: Daniel Chamovitz
Titel: „Was Pflanzen wissen — Wie sie schmecken, hören und sich erinnern“
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN-10: 3442177987
ISBN-13: 978-3442177981

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