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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Ulf Brunnbauer, Klaus Buchenau: „Geschichte Südosteuropas“

Am: | März 28, 2018

Denkt man an Südosteuropa, so denkt man an Bürgerkriege, Finanzkrisen und an Migration. Mit anderen Worten ist unser spontanes Bild von Südosteuropa von den Ereignissen der letzten 20 Jahre geprägt und damit komplett verzerrt. Durch die aktuellen Krisen und ein sehr einseitiges, durch die Medien vermitteltes Bild jener europäischen Region haben viele von uns den Südosten Europas gedanklich abgehakt und sehen keinen Anlass, sich mit den Balkan-Ländern, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Mazedonien, Griechenland und die Türkei näher zu beschäftigen.

Doch gerade eine nähere Besichtigung der bewegten Geschichte und der komplexen Zusammenhänge bei der Entstehung der Nationalstaaten lohnt sich für jeden Leser, der sich ein realistisches Bild von jenen Ländern und den in ihnen lebenden Völkern machen möchte.

Ulf Brunnbauer und Klaus Buchenau haben jetzt im Reclam-Verlag ihre <em>Geschichte Südosteuropas</em> herausgegeben. Es ist ein umfangreiches Buch geworden, 511 Seiten dick, und es macht den Leser mit einer ihm wahrscheinlich komplett unbekannten Welt vertraut.

Die beiden Professoren für Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg schaffen es mühelos, den Leser für ihr Fachgebiet zu begeistern. Die Geschichte Südosteuropas ist nicht nur per se spannend, sondern sie wird zum Glück auch spannend erzählt. Beide Autoren verfügen über die Gabe, geschichtliche Zusammenhänge nicht nur anhand von Jahreszahlen abzuarbeiten, sondern sie in eine Erzählung einzubinden. Mit viel Geschick nehmen die Autoren den Leser bei der Hand und führen ihn an das komplexe Thema heran.

Dabei ist allein die Frage nach dem, was eigentlich unter Südosteuropa zu verstehen ist, alles Andere als leicht zu beantworten. Je nach Kontext fällt die Antwort unterschiedlich aus. Gleich zu Beginn machen die Autoren klar, dass eine nationale Historiographie, die an den jeweiligen Staatsgrenzen endet, keinen Sinn macht. Die Region war schon immer Schauplatz von grenzüberschreitenden Konflikten und Kooperationen; wer also National-Geschichten erwartet bzw. fordert, <em>„geht einer nationalistischen Schimäre auf den Leim“</em>.

Die beiden Autoren gehen bei ihrer territorialen Eingrenzung zunächst vom Osmanischen Reich aus, welches sich in vormodernen Zeiten (14. Jahrhundert) nach Westen über den Balkan und bis in Teile Ungarns erstreckte. <em>„Die Kerngebiete Südosteuropas befanden sich ein halbes Jahrtausend unter osmanischer Herrschaft, deren Spuren bis heute sichtbar sind, etwa in der Präsenz großer muslimischer Bevölkerungsgruppen.“</em>

Sprechen wir vom Osmanischen Reich, so wird die zentrale Rolle der Türkei für die Entwicklungen in Südosteuropa deutlich. „Daher wird in diesem Buch die Geschichte der Türkei, als eines post-osmanischen Nationalstaats, als integraler Bestandteil der südosteuropäischen Geschichte behandelt“.

Regionale Geschichte verstehen die Autoren als eine Beziehungsgeschichte, als die Geschichte der vielfältigen Beziehungen jener Staaten der Region untereinander. Handel, kultureller Austausch und Migration sind die wichtigsten Bereiche für derartige Beziehungen in der südosteuropäischen Region.

Nach einem einleitenden Kapitel über die vormoderne Geschichte der Region liegt der Schwerpunkt in der Zeit vom 19. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Die Anfangszeit der Staatenbildungen und die Entstehung von Konstellationen, die schon früh den Boden für potenzielle Konflikte bereiteten, wird spätestens mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs in eine Phase kriegerischer Auseinandersetzungen überführt, die im Zweiten Weltkrieg ihre Fortsetzung fanden und schließlich nach 1989 zu weiteren Konflikten und schließlich zu unterschiedlichen Transformationen in der Region führten.

Das Buch ist leichtverständlich geschrieben und bietet auch dem interessierten Laien einen guten und fundierten Einstieg in die Geschichte Südosteuropas. Der Text wird ergänzt durch 17 Karten; mit einigen zusätzlichen Abbildungen hätte man sicherlich die Attraktivität dieser Neuerscheinung noch erhöhen können, aber auch ohne solche Abbildungen ist diese Geschichte Südosteuropas anschaulich genug. Ein schönes Buch, in das Sie mehr als einen kurzen Blick werfen sollten!

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Autor: Ulf Brunnbauer, Klaus Buchenau
Titel: „Geschichte Südosteuropas“
Gebundene Ausgabe: 511 Seiten
Verlag: Reclam, Philipp, jun. GmbH
ISBN-10: 3150111544
ISBN-13: 978-3150111543

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