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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Edward Bullmore: „Die entzündete Seele — Ein radikal neuer Ansatz zur Heilung von Depressionen“

Am: | Oktober 11, 2019

Professor Bullmore zeigt anschaulich und mitreißend die Zusammenhänge zwischen Seele und Immunsystem auf. Es geht um Entzündungen, die in der Folge Depressionen anschieben, verstärken oder in kleinerem Ausmaß auch überhaupt erst auslösen können.

Er schafft es fundiert, logisch aufgebaut und verständlich. Das Ganze in einer Art, die man von amerikanischen Autoren kennt: begeistert vom Thema, mit Beispielen und wiederkehrenden Verweisen bereits beschriebenen.

Nach einer Vorstellung des Grundthemas und der Grundidee im ersten Kapitel erfolgt im zweiten eine gute Erklärung des Immunsystems. Im dritten Kapitel werden Behandlungsweisen einer Depression in der Vergangenheit vorgestellt. Mit anschaulichen Zusammenhängen aus der Pharmaindustrie und deren Entwicklungen, Forschungsinteressen, Marketing- und Verkaufsstrategien. Insoweit auch höchst interessant, da Ärzte auch nur Menschen sind und in dem so hergestellten Klima Ereignisse und Patienten auch anders bewertet werden.

Herr Bullmore ist ein englischer Neuropsychiater und Neurowissenschaftler, gilt als Experte. Und stellt nach Meinung einiger alles in Frage, was vom Gehirn bekannt war. Simpel ausgedrückt: Heilt man die Entzündung, heilt man die Seele. Sprich, die Depression ist dann Geschichte.

Dies ist die Quintessenz dieses Buches. Unterlegt mit einigen Beispielen. Vor allem eines aus seiner Anfangszeit. Es wird des Öfteren heran gezogen.

Die Kapitel lauten: „Eine neue, wagemutige Denkweise / Die Funktionsweise des Immunsystems / Verborgen, aber offensichtlich / Die Melancholie nach Descartes / Wie? Warum? / Und was nun?“

Und das sagt bereits einiges. Es wird die Geschichte der Neuimmunologie und Immunpsychiatrie geschildert. In sehr interessanter Art und Weise. Sogar als Laie hat man bereits das Eine und Andere vernommen, so dass die Schlussfolgerungen und Zielweisungen relativ klar sind.

Um das Ganze zu beweisen, bekommt der Leser einen Exkurs in die Geschichte und Philosophie. Am häufigsten wird Descartes angeführt. Beispielsweis wird über 40 Seiten die Geschichte der Psychologie geschildert. Der sogenannte „Serotonin-Irrtum“ wird auf über 10 Seiten erörtert.

Die Einsichten in der Erfindung und Anwendung verschiedener Psychopharmaka mitsamt deren Vermarktung ist durchaus interessant. Zeigt sie doch die Tricks der Industrie und die Behandlung nichtsahnender Patienten. Auch einige medizinische Fakten bzw. Grundsätze, die sich überholt haben, sind lesenswert.

Am Ende wird dann wieder der Bogen gemacht zur Entzündung – inwiefern sie zur Depression beitragen kann, Kausalketten werden beschrieben und zum Schluss eine – vom Autor favorisierte – Zukunftsprognose gewagt. Diese übrigens ungewöhnlich kurz, und es wird von Herrn Bullmore ein möglicher Irrtum seiner Prognosen eingeräumt. Aber eben nur am Rande.

Die These „Entzündung führt zu Depression“ wird also in einer sehr großen Gründlichkeit oder auch ausschweifender Anreihung diverser Punkte in Medizin und Forschung mit Ausflügen in die Geschichte und Philosophie über 275 Seiten manifestiert. Damit stellt sich die Frage, wen der geschätzte Experte ansprechen möchte? Fachleute brauchen kaum die einzelnen Exkurse; Laien werden informiert, es ist jedoch schwierig das Interesse in der Form aufrecht zu erhalten.

Eine schlüssige Lösung gibt es nicht. Alltagstaugliche Vorschläge auch nicht. Für die Leser lässt sich sagen, das Buch dient auf jeden Fall der Information.

(c. s.)

 

 

Autor: Edward Bullmore
Titel: „Die entzündete Seele“
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN-10: 3442315182
ISBN-13: 978-3442315185

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