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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Ortrud Westheider, Michael Philipp (Hg.): “William Turner – Maler der Elemente”

Am: | Juni 27, 2011

Nach dem griechischen Philosoph Empedokles besteht unsere Welt aus vier Elementen: Erde, Wasser, Feuer und Luft. Mensch und Welt sind als eine Einheit zu verstehen, und alles, was existiert, bildet sich aus diesen vier Elementen.

Der englische Maler William Turner lebte von 1775 bis 1849. Er wächst in London zu einer Zeit auf, die durch die erste Industrielle Revolution geprägt ist. Der technische Fortschritt, die Konstruktion von Maschinen und die Fabrik als Produktionsstätte einer massenhaften Herstellung verwandeln die Gesellschaft und führen zu tief greifenden Umwälzungen mit Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Diese Entwicklungen sollten auch Turners Kunstverständnis nachhaltig beeinflussen.

Die Malerei widmete sich der Landschaftskunst bis in 18. Jahrhundert hinein vor allem in Form von allegorischen Darstellungen der vier Elemente. Selbst zurzeit William Turners entstiegen die Maler erst langsam ihren Ateliers und begannen „en plain air“ zu malen.

Turners Malerei brach mit all diesen Konventionen und machte die Elemente selbst zu Hauptdarstellern. Er versuchte, die Elemente selbst zu malen und auf seinen Bildern das Kräftespiel der Elemente abzubilden.

So ist die Ausstellung, zu der dieser Katalog erschienen ist, in vier Bereiche aufgeteilt, die sich jeweils einem Element widmen und Turners Bilder zu diesem Thema zeigen. Die Motive, die William turner aussuchte, wiederholten sich oft. So waren es beim Element „Luft“ immer wieder Wolkenformationen, die ihn faszinierten; beim Element „Wasser“ bildete er die stürmische See ab; der Ausstellungsteil zum Element „Erde“ zeigt William Turners Studien von Gesteinsformationen, die er auf seinen Reisen entdeckte; und das Element „Feuer“ findet sich in seinen glutroten Sonnenuntergängen, in Vulkanausbrüchen und bildlichen Darstellungen von Bränden wieder.

William Tuner war einer der ersten, die eine Landschaft als Kraftfeld der Elemente verstanden und die Elemente einander direkt gegenüber stellte. Der Wettbewerb der Elemente wurde so zu einem unbegreifbaren Aufeinanderprallen, das nicht selten zu einer Verschmelzung, zu einer Fusion der Elemente führte.

Bildlich dargestellt, drückt sich diese Fusion in Turners Bildern oft in einem dynamischen Prozess aus, der sich von einem Gegensatz der Farben und Kontraste zu einem Zusammenschmelzen der Farben und einem Verlust der Konturen wandelt.

Die Kritiker seiner Zeit haben William Turner erst spät verstanden. Der Essayist William Hazlitt urteilte noch 1816 über Turners Gemälde: „Alles ist ohne Formen und leer.“ Zu radikal und neu war Turners Kunstverständnis für seine Zeit.

Erst 25 Jahre später kam der berühmte Kunstkritiker John Ruskin zu einem anderen Urteil. Er empfand Turners Kunst nicht als formlos, „sondern voller Anzeichen von Charakter“. Turner ging es nicht nur um die Abbildung der Wirklichkeit, sondern um die Vermittlung einer Stimmung und die Erregung eines Gefühls beim Betrachter. Man könnte seine Art zu malen sogar von einer Psychologisierung der Malerei sprechen.

William Turner litt in späteren Jahren an einer Augenkrankheit – wahrscheinlich an einer fortschreitenden Form des Grauen Stars -, die seine Linsen trübte und sein Sehvermögen stark beeinträchtigt hatte. Oft wurde darüber spekuliert, wie sehr diese Beeinträchtigungen das künstlerische Schaffen Turners beeinflusst haben.

Der vorliegende Bildband zur gleichnamigen Ausstellung ist im Hirmer-Verlag erschienen und bietet mit seinen hochqualitativen Reproduktionen der ausgestellten Werke einen wahren Kunstgenuss. Die einführenden Essays zu Turners Kunstverständnis und seinem künstlerischen Umgang mit dem Sujet der vier Elemente sind hervorragend geeignet, dem Ausstellungsbesucher wie dem Kunstfreund den Menschen und Künstler William Turner nahe zu bringen.

Zusätzlich befindet sich im Anhang ein chronologischer Überblick in Tabellenform, der die wichtigsten Lebensstationen William Turners und die parallelen Ereignisse seiner Zeit lebendig werden lässt.

Sowohl die Ausstellung, die zurzeit im Hamburger Bucerius-Kunst-Forum gastiert, als auch dieser wunderschöne begleitende Katalog sind mehr als einen Blick wert.

Autor: Ortrud Westheider, Maichel Philipp (Hg.)
Titel: „William Turner – Maler der Elemente“
Gebundene Ausgabe: 253 Seiten
Verlag: Hirmer
ISBN-10: 3777434914
ISBN-13: 978-3777434919

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