Frédéric Chopins 200. Geburtstag
Am: | Februar 23, 2010
In diesen Tagen feiern wir den 200. Geburtstag Frédéric Chopins. Ob es nun der 22. Februar oder 1. März 1810 war, als er in Zelazowa Wola bei Warschau das Licht der Welt erblickte, lässt sich bis heute nicht genau sagen.
Das musikalische Wunderkind wuchs in den besseren Kreisen der feinen Gesellschaft auf. Sein Vater Nicolas war Franzose aus Lothringen, wanderte jedoch 1788 nach Polen aus und heiratete dort 1806 die schöne Justyna Krzyzanowska, die aus einem verarmten polnischen Adelsgeschlecht stammte.
Bereits sehr früh begann Frédéric mit dem Klavierspiel und komponierte seine ersten eigenen Stücke. Mit 8 Jahren spielte er bereits sein erstes öffentliches Konzert beim Herzog Radziwill und wurde dort als Wunderkind gefeiert. Doch bald hielt ihn nichts mehr in Warschau.
Berlin, Wien, Paris, London und wieder Paris sind die Stationen seines kurzen aber bemerkenswerten Lebens. Chopin besaß nicht nur ausgezeichnete Manieren und Schnell haftete ihm das Image des träumerischen Genies an, und die Frauen schwärmten für ihn.
Dann war da noch Chopins Verbindung und seine Liebe zu George Sand, einer bemerkenswerten Schriftstellerin und sicherlich einer der schillerndsten Frauen ihrer Zeit. Die gemeinsamen Aufenthalte auf Mallorca sollten nicht nur in die Literatur eingehen (George Sand: „Ein Winter auf Mallorca“), sondern vor allem der Genesung von Chopins Gesundheit dienen.
Schon früh litt er unter den Symptomen der Schwindsucht, die ihn ein Leben lang begleitete. Sie war wohl auch der körperliche Ausdruck einer sein Leben bestimmenden, fast träumerischen Melancholie, die sein musikalisches Werk prägen. Dabei konnte Chopin durchaus witzig sein; er hatte sowohl schauspielerisches Talent als auch einen ausgeprägten Humor.
Frédéric Chopin wurde nur 39 Jahre alt und starb in Paris an Tuberkulose. Es war ein langsamer und schmerzhafter Tod. An seinem Sterbebett versammelten sich Freunde und Bewunderer. Die Trauerfeier wurde zu eine bedeutenden gesellschaftlichen Ereignis. Frédéric Chopin wurde auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beigesetzt.
Anlässlich seines 200. Geburtstags geben sich weltweit die Koryphäen der Klassikwelt in Konzerten und neuen CD-Einspielungen die Ehre. Natürlich nutzt auch die Bücherwelt die Gunst des Jubiläums und versorgt uns mit einer Vielzahl von Chopin-Publikationen von unterschiedlicher Qualität.
Kulturbuchtipps stellt Ihnen im Folgenden drei wirklich ausgezeichnete Biographien vor, die sich mit dem musikalischen Geburtstagskind beschäftigen:
Dr. Baur ist Kunsthistorikerin und studierte Literaturwissenschaft, Psychologie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaften. Literarische Bekanntheit erlangte sie unter ihrem Pseudonym Lea Singer mit dem Klavier-Roman „Konzert für die linke Hand“ über den berühmten Konzertpianisten Paul Wittgenstein.
Baurs Biographie lässt alle wichtigen Stationen in Chopins Leben en detail vor unserem geistigen Auge passieren. Ihre besondere Fähigkeit liegt in der Erzeugung atmosphärischer Stimmungsbilder, die den Leser direkt in die Geschichte hinein nehmen. Faktenreich und detailliert lernen wir Frédéric Chopin als Menschen und Musiker kennen.
Ihre Komposition aus erzählerischen Passagen und Zitaten aus Briefwechseln und anderen Dokumenten machen „Chopin oder Die Sehnsucht“ nicht nur zu einer lehrreichen Lektüre, sondern vermitteln dem Leser einen echten Einblick in das Leben eines faszinierenden Komponisten.
564 Seiten geben dieser Biographie auch äußerlich den Umfang eines historischen Romans. Sie ist eine gelungene Rekonstruktion des kurzen Lebens und Wirkens von Chopin und gleichzeitig ein fulminantes Stimmungsbild seiner Zeit.
Adam Zamoyski: „Chopin – Der Poet am Piano“
Adam Zamoyski verfügt eine Eigenschaft, die ihn von allen anderen Chopin-Biographen abhebt und für eine Biographie Frédéric Chopins qualifiziert: Der gebürtige New Yorker entstammt einem alten polnischen Adelsgeschlecht, das mit der Familie Chopin bekannt war.
Wenn jemand mit einer Berühmtheit verwandt oder wenigstens bekannt ist, macht sich die Hoffnung breit, dass er vielleicht neben all dem von einem guten Biographen voraus zu setzenden Fach- und Bibliothekswissen auch noch über die eine oder andere Anekdote aus dem familiären Umkreis verfügt, die ein persönliches und mitunter neues Licht auf die Berühmtheit werfen, deren Leben hier beschrieben werden soll.
Ganz so verhält es sich bei Zamoyskis Chopin-Biographie leider nicht. Aber der Autor verfügt über ein hervorragendes Erzähltalent, das die eingangs gestellte Frage nach familiärem Insider-Wissen schnell vergessen lässt.
Von der ersten Seite an versteht es Zamoyski, den Leser mit der Zeit und den Lebensumstände der Familie Chopin in dem kleinen Örtchen in der Nähe von Warschau in Verbindung zu bringen und seine Hand über die nächsten 400 Seiten nicht mehr los zu lassen.
Mit Zamoyski lesen wir nicht nur über Frédéric Chopin und sein Leben, sondern wir begleiten den großen Komponisten auf seiner Reise durch die Zeit.
Adam Zamoyskis Biographie ist in der Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann erschienen, hat 398 Seiten und ist Platz 1 unserer Lese-Empfehlungen, wenn es um Frédéric Chopins Leben geht.
Christoph Rueger: „Frédéric Chopin – Seine Musik – sein Leben“
Einen anderen Schwerpunkt setzt die Chopin-Biographie von Christoph Rueger. Während sich die oben genannten Biographien von Eva Gesine Baur und Adam Zamoyski vor allem mit dem Leben des genialen Komponisten Chopin befassen, legt Rueger sein Augenmerk auf das musikalische Werk Chopins.
Diese Konzentration auf das Musikalische verwundert nicht. Schließlich ist Rueger seit 1983 Professor für Musiktheorie und Tonsatz an der Universität der Künste in Berlin. Seine Nähe zu Chopin basiert auf der Liebe zur klassischen Musik.
Natürlich bietet die Lektüre von Ruegers Buch auch alle wichtigen biographischen Eckdaten und entscheidenden Lebensstationen Chopins. Aber den roten Faden, der sich durch dieses Buch zieht, bilden das kompositorische Werk Chopins und seine Reflexion.
„Was haben Chopin und Einstein gemeinsam? Sie beweisen die Dehnbarkeit der Zeit. Der Physiker mit seiner Relativitätstheorie, der Komponist mit seinem „rubato“, das aus einer Viertelnote zuweilen sieben Sechzehntel machen und die feinsten Schwingungen der menschlichen Seele verdeutlichen kann.“ – Frédéric Chopin war ein musikalisches Genie, das sein Oeuvre jenseits seiner Zeit und deren Maßstäbe schuf, und er war in diesem Punkt dem von ihm bewunderten Mozart sehr ähnlich.
Auch Christoph Rueger legt mit diesem zum 200. Geburtstag neu überarbeiteten Buch eine gelungene Chopin-Biographie von 230 Seiten vor, geht jedoch noch einen Schritt weiter: Der zweite Teil des Buches widmet sich ganz dem musikalischen Werk Chopins. Auf weiteren 70 Seiten erfährt der Leser viel Wissenswertes über die einzelnen Werke des Komponisten in ihrer chronologischen Reihenfolge.
Wer sich für klassische Musik begeistern und ein gewisses Maß an musikalischem Grundwissen mitbringen kann, wird diese Chopin-Biographie wahrscheinlich am meisten von allen drei hier vorgestellten lieben. Den Nutzen, den man aus diesem Buch ziehen kann, um den eigenen musikalischen Horizont zu erweitern und Chopins Werke mit ganz anderen Ohren zu hören, übersteigt bei weitem den Kaufpreis dieses Buches von knapp zwanzig Euro.
Wer jedoch Chopin nur als musikalischer Laie genießt und keine weitere Vertiefung seines musiktheoretischen und –historischen Wissens anstrebt, sondern einfach nur den Menschen Chopin kennen lernen möchte, ist wohl mit den Biographien von Baur und Zamoyski besser beraten.
Autor: Eva Gesine Baur
Titel: „Chopin oder Die Sehnsucht“
Gebundene Ausgabe: 564 Seiten
Verlag: C.H. Beck
ISBN-10: 340659056X
ISBN-13: 978-3406590566
Autor: Adam Zamaoyski
Titel: „Chopin – Der Poet am Piano“
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Verlag: Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann
ISBN-10: 3570580156
ISBN-13: 978-3570580158
Autor: Christoph Rueger
Titel: „Frédéric Chopin – seine Musik – sein Leben“
Gebundene Ausgabe: 316 Seiten
Verlag: Parthas Verlag GmbH
ISBN-10: 3869640227
ISBN-13: 978-3869640228
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