Ines Geipel, Andreas Petersen: „Black Box DDR – Unerzählte Leben unterm SED-Regime“
Am: | Oktober 21, 2009
Dieses Buch schließt eine Lücke. Es gibt mittlerweile bergeweise Sachbücher, die sich mit der systematischen Unterdrückung und dem vom Staat ausgehenden Unrecht in dem „ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden“ beschäftigen. Mindestens ebenso hoch ist der Bücherberg mit belletristischer Literatur mit autobiografischen und fiktiven Geschichten über die Befindlichkeit der DDR-Bürger, über das Leben in der DDR und den Einfluss der staatlichen Organe und seiner informellen Handlanger auf die Biografie der Menschen, die in dem Arbeiter- und Bauernstaat leben mussten.
Dem westdeutschen Leser wird zwanzig Jahre nach dem Mauerfall nun endlich ein Stück deutscher Geschichte nachgeliefert, die das Bild der DDR abrunden und mit manchen Vorurteilen aufräumen kann. Während die in diesem Buch zusammen getragenen Geschichten für ehemalige DDR-Bürger eine Möglichkeit der Selbstbetrachtung bieten, geben sie dem westdeutschen Leser die Gelegenheit, sein Verständnis des DDR-Systems und seiner den ganzen Menschen prägenden Allgegenwärtigkeit besser zu verstehen.
Wer sich bislang die Mühe machte, sich mit der DDR-Geschichte aktiv auseinander zu setzen, stieß schnell auf stereotype Beschreibungen der DDR als „Unrechtssystem“, als totalitären Staat und als eine durch die Stasi und ihre freien Mitarbeiter paralysierte Gesellschaft. All dies ist unbestreitbar richtig, und doch werden dadurch der Verlauf der Geschichte der DDR und der Alltag ihrer Bürger nicht ausreichend erklärt. „Black Box DDR“ will konkretes Leben erzählen, mit seinen Hoffnungen, Aufbrüchen, Zufällen, Lieben und Krisen, mit kleinem Glück und brutalem Scheitern.
Jeder kennt dies aus eigener Erfahrung. Der „Staat“ und die „Gesellschaft“ sind keine greifbaren und im täglichen Leben erfahrbaren Größen. Wir leben in der Gesellschaft und in dem Staat, wir sind Teil der Gesellschaft und Bürger eines Staates. Dennoch ist diese „Zugehörigkeit a priori“ nicht gleich bedeutend mit einer Identifikation mit dem Staat oder seinen gesellschaftlichen Kräften. Poetisch gesagt, findet das Leben anderswo statt.
Die konkreten Erfahrungen und Lebensberichte, die in den authentischen Geschichten dieses dokumentarischen Erzählbandes von Ines Geipel und Andreas Petersen zusammen getragen wurden, vermögen viel mehr als jede theoretische Abhandlung uns eine Vorstellung davon zu geben, was es bedeutete, in einem von sozialistischen Idealen und totalitären Maximen getragenen Staat zu leben. Zwanzig Jahre nach der Wende gibt es immer noch die Mauer in den Köpfen, und die gegenseitigen Vorurteile halten sich gerade in den Zeiten der Krise umso hartnäckiger.
Die immer noch bestehende Trennung zwischen Ost und West kann nur durch gegenseitiges Verständnis überwunden werden. Dies ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Aber mit Hilfe dieses Buches kann unser Verständnis der „Black Box DDR“ und seiner Menschen vielleicht ein gutes Stück voran kommen. Es wäre schön, wenn „Black Box DDR“ eines Tages sogar den Weg in den Lehrplan des Geschichtsunterrichts fände. Denn konkrete Lebensberichte können Geschichte viel besser erklären als jede Theorie sowie den Blick öffnen für das Leben der Anderen.
Autor: Ines Geipel, Andreas Petersen
Titel „Black Box DDR – Unerzählte Leben unterm SED-Regime“
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: MARIXVERLAG
ISBN-10: 3865392113
ISBN-13: 978-3865392114
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