David Browne: „Goodbye 20th Century – Die Geschichte von Sonic Youth“
Am: | September 1, 2009
Die Musik von Sonic Youth ist komplex. Sehr komplex. Sie ist das Ergebnis eines permanenten Auslotens und Überschreitens musikalischer Grenzen. Sonic Youth arbeitet mit dissonanten Klängen und kombiniert sie mit harmonischen Grundmustern.
Das ist als Beschreibung dieses eigenen Universums viel zu kurz gegriffen und unvollständig. Man muss die Musik hören, um sie zu verstehen, und man sollte wissen, was man da hört und wie die langen, oft session-artigen Kompositionen aufgebaut sind, damit man die Klangkaskaden, die Sonic Youth gestalten, auch genießen kann und nicht als Lärm abtun muss.
In der Tat ähneln die Kompositionen von Sonic Youth ihrem Aufbau nach eher den Formen klassischer Musik als herkömmlichen Popsongs. Das mag verwundern, wird jedoch durch die vorherigen Tätigkeit der Bandmitglieder im E-Gitarrenorchester von Glenn Branca erklärt. In den frühen 80er Jahren komponierte Branca Werke für E-Gitarren-Ensembles und setzte in seinen Kompsitionen auch Industrielärm und andere Geräuschelemente ein. Es liegt nahe, dass hier die Grundlagen für die zukünftige experimentelle Ausrichtung der Musik von Sonic Youth gelegt wurden.
Die Band um die beiden Gitarristen und Sänger Thurston Moore und Lee Ranaldo und den Bassisten Kim Gordon existiert seit 1981 in wechselnden Besetzungen. Sonic Youth sind eine gitarrenlastige Band, und sie verfügen über ein ganzes Arsenal individuell gestimmter Gitarren-Sets, die immer nur für einzelne Stücke eingesetzt werden. Mit ihrer Musik und der konzeptionellen Ausrichtung ihrer Auftritte als Gesamtkunstwerk gehören Sonic Youth seit Anfang der 1980er Jahre zur amerikanischen Avantgarde der Independent Music.
David Browne erzählt in seiner schillernden Pop-Biographie „Goodbye 20th Century“ (benannt nach dem gleichnamigen Album aus dem Jahre 1999) die Geschichte von Sonic Youth von den Anfangstagen in der Lower East Side von New York bis zum Einsturz der Twin Towers des World Trade Centers 2001.
Auf über 440 Seiten in einem lockeren Erzählton geschrieben und mit zahlreichen bislang unveröffentlichten Fotos aus der Bandgeschichte ist ihm eine detailreiche Saga einer Band gelungen, die die amerikanische Popkultur maßgeblich beeinflusst hat. Andere Künstler standen häufig und immer wieder direkt mit Sonic Youth oder einem der zahlreichen Nebenprojekten in Kunst, Film und Performance in Verbindung. Hier seien nur einige Namen genannt: Courtney Love, R.E.M., Nirvana, Beck, Keanu Reeves, Gerhard Richter.
Der Autor ist Musikredakteur beim „Rolling Stone“ und hat dort unzählige Rezensionen und Artikel über Musiker und Alben geschrieben. „Goodbye 20th Century“ ist seine dritte Buchveröffentlichung – und hoffentlich nicht die letzte.
„Goodbye 20th Century“ ist natürlich Pflichtlektüre für alle Sonic-Youth-Fans, aber auch für alle, die ihre Ohren nicht gleich verschließen, wenn es schräg klingt, sondern verstehen wollen, was dahinter steht und wie es einmal war, damals am Anfang der 1980er Jahre in der New Yorker Lower East Side.
Autor: David Browne
Titel: „Goodbye 20th Century – Die Geschichte von Sonic Youth“
Broschiert: 448 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462041622
ISBN-13: 978-3462041620
Tags: avantgarde > browne sonic youth rezension > buchtipp sonic youth > geschichte sonic youth > independent > kultur > kulturgeschichte > Musik > new york > rezension sonic youth buch > sonic youth