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Volker Seitz: „Afrika wird armregiert – Wie man Afrika wirklich helfen kann“

Am: | Juli 14, 2009

Volker Seitz: "Afrika wird armregiert - Wie man Afrika wirklich helfen kann"Der Kolonialismus ist nicht die Ursache des Elends.“ – Dies ist die Überschrift eines Kapitels des Buches „Afrika wird armregiert“ von Volker Seitz. Er macht darin klar, dass die Auswirkungen des Kolonialismus auf die afrikanische Welt zweifellos traumatisch waren und dass sich die Europäer mit ihrer imperialen Besatzungs- und Ausbeutungs-Politik eines kollektiven Verbrechens schuldig gemacht haben. Dennoch ist der Kolonialismus nicht die Ursache für den desolaten Zustand Afrikas.

Der afrikanische Kontinent ist reich an Rohstoffen, verfügt über eine schiere unüberschaubare Menge an Ressourcen, eine vielseitige Kultur und über Menschen, die trotz allen Elends nie die Hoffnung verloren haben. In den ärmsten Ländern sind die Menschen oft am heitersten.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig. 17 Jahre lebte der deutsche Diplomat in Afrika. Er ist Afrika-Experte und kennt die Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen in den Entwicklungsländern sehr genau.

Seiner Meinung nach werden hier oft Spendengelder vergeudet oder wandern durch unsichtbare Kanäle in die Taschen korrupter Machthaber. Afrika ist nicht nur unglaublich reich an Ressourcen, sondern leider auch reich an Korruption. Die von vielen Hilfsorganisationen gepriesene „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist faktisch nicht umsetzbar, weil ein Großteil der Spenden und Gelder auf dem Weg zu den Empfängern verloren geht.

Die Entschuldung der Entwicklungsländer wäre für die meisten afrikanischen Staaten ein wichtiger Schritt aus der eigenen Unmündigkeit. Die Schuldenlast schränkt die Handlungsfähigkeit jener Staaten massiv ein. Sie geht Hand in Hand mit hohen Handelsschranken, die den Import afrikanischer Waren in die westlichen Industrieländer unnötig erschweren und auf ein Minimum beschränken.

Gleichzeitig wird jedoch der Export westlicher Industrie- und Konsumgüter auf den afrikanischen Kontinent subventioniert.

Ein bekanntes Beispiel ist die Entwicklungshilfe mit Milchpulver. Der von der EU subventionierte Exportartikel Milchpulver ist in Burkina Faso so billig zu haben, dass die einheimische Milchwirtschaft zusammen gebrochen ist. Die Milchbauern können ihre Produkte am eigenen Markt nicht mehr verkaufen und verlieren durch jene fehlgeleitete Entwicklungshilfe ihre einzige Existenzgrundlage.

Solche Beispiele sieht Volker Seitz als Indiz für eine falsch verstandene Entwicklungshilfe, die anstatt Eigeninitiative zu fördern und die einheimischen Bemühungen der Menschen zu unterstützen nur die einseitige Abhängigkeit Afrikas von den westlichen Industrienationen verstärkt.

Es gibt viel zu tun in Afrika, denn vieles läuft falsch. Wir kennen die Probleme aus den Nachrichten: Waffenexporte, gewaltsame Auseinandersetzungen und Bürgerkriege, mangelnde Hygiene und fehlende Infrastrukturen, katastrophale medizinische Versorgung, Korruption, Ausbeutung der Rohstoffe, Umweltverschmutzung, Müllexporte, Sklaverei und AIDS.

Der Westen will helfen, steht jedoch dem chaotischen System und der Unregierbarkeit des schwarzen Kontinents immer wieder hilflos gegenüber. Der deutsche Journalist und Gründer des Komitees Cap Anamur, Rupert Neudeck, fasst in seinem Vorwort die wichtigsten Punkte einer neuen Entwicklungs-Zusammenarbeit zwischen den westlichen Industrieländern und Afrika in wenigen Stichworten zusammen.

Zunächst müssen wir Menschen in den reichen Ländern der Erde bescheidener werden. Es gibt kein unendliches Wachstum. Spätestens seit der aktuellen, durch die Finanzkrise ausgelösten Weltwirtschaftskrise sollte uns das klar sein.

Dann muss die Korruption vor Ort von den afrikanischen Staaten selbst bekämpft und beseitigt werden. Es wird den Europäern nicht allein gelingen, hier Ordnung zu schaffen. Die Schaffung funktionaler Strukturen ist auch nicht deren Aufgabe, sondern eine Grundbedingung für die Gewährung von Entwicklungshilfe und Entwicklungs-Zusammenarbeit.

Die Unterstützung beim Aufbau eigener wirtschaftlicher Infrastrukturen und einer intakten Volkswirtschaft kann auch durch die breite Förderung der Vergabe von Mikro-Krediten erfolgen. Muhammad Yunus, der Gründer der Grameen-Bank, hat es in Indien mit großem Erfolg vorgemacht.

Der letzte, aber entscheidende Punkt ist der Ausbau des Bildungssektors auf allen Ebenen. Nur wenn es den afrikanischen Staaten dauerhaft gelingt, ein funktionierendes und attraktives Bildungssystem aufzubauen, werden der „brain drain“ und der Abzug der afrikanischen Spitzenkräfte in den Westen gestoppt werden können.

In einem solchen Maßnahmenkatalog haben auch die internationalen Hilfsorganisationen ihren Platz. Allerdings werden ihre Gelder dann vernünftig und zum breiten Auf- und Ausbau der Infrastrukturen eingesetzt werden können und nicht in falsche Hände gelangen.

Volker Seitz’ Buch gibt einen aktuellen Überblick über die Lage in Afrika. Erst wenn es gelingt, die strukturellen Voraussetzungen für den Aufbau funktionsfähiger afrikanischer Volkswirtschaften zu schaffen, wird sich mittelfristig auch das westliche Bild von Afrika ändern und der wirtschaftliche und kulturelle Reichtum des schwarzen Kontinents auch jene Würdigung erfahren, die er schon immer verdient hat.

 

Autor: Volker Seitz
Titel: „Afrika wird armregiert – oder: Wie man Afrika wirklich helfen kann“
Taschenbuch: 220 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN: 3423247355
EAN: 978-3423247351

 

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