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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Ilse Biberti, Henning Scherf: „Das Alter kommt auf meine Weise – Lebenskonzepte heute für morgen“

Am: | Juni 24, 2009

Ilse Biberti und Henning Scherf: "Das Alter kommt auf meine Weise - Lebenskonzepte heute für morgen"Ilse Biberti wurde bekannt durch Ihr Buch „Hilfe, meine Eltern sind alt“, in dem sie ausführlich beschreibt, wie sie sich um ihre Eltern kümmert, die beide zum Pfelegefall geworden sind.

Henning Scherf, SPD-Politiker und ehemaliger Oberbürgermeister der Hansestadt Bremen, lebt seit über zwanzig Jahren mit seiner Frau in der wohl bekanntesten Wohngemeinschaft (WG) in Bremen. Zusammen mit Freunden hatten sie damals beschlossen, gemeinsam alt werden zu wollen.

Der Untertitel des im Südwest-Verlag erschienenen Buches ist missverständlich: „Lebenskonzepte heute für morgen“ klingt nach einem programmatischen Inhalt, nach Konzepten, Tipps und Tricks, nach Anleitungsvorschlägen und Adressenlisten. Aber dieses Buch ist ganz anders.

Den ersten Impuls zu dem Buch „Das Alter kommt auf meine Weise“ gab es während der MDR-Büchersendung „Fröhlich lesen“, zu der Ilse Biberti und Henning Scherf eingeladen wurden, um ihre Bücher (Ilse Biberti: „Hilfe, meine Eltern sind alt“ und Henning Scherf: „Grau ist bunt – was im Alter möglich ist“) vorzustellen. Da trafen sich die beiden zum ersten Mal und sprachen von verschiedenen Positionen aus über dasselbe Thema.

Danach reifte die Idee, angetrieben von Bibertis Mutter („Mach zusammen. Mach’ ma.“), zusammen mit Henning Scherf ein Buch über das Altsein zu schreiben. Erste Telefonate, Verabredungen, Gespräche. All dies protokolliert dieses Buch.

Der Leser wird direkt mit beteiligt, sitzt dabei, wenn sich Biberti und Scherf über all die Fragen unterhalten, die mit dem Alter automatisch kommen: über die Möglichkeiten, ein sinnerfülltes und gutes Leben zu leben, über die Notwendigkeiten der Vorsorge und Absicherung, über das Sterben und die Wahrung der Menschlichkeit.

Bewegend schildert Ilse Biberti, wie ihr demenzkranker Vater zum Pflegefall wird, wie er aus dem Hospiz wieder nach Hause geschickt wird, weil man sich weigert, seine krankheitsbedingte Aggressivität noch länger zu ertragen, wie der im Sterben liegende Vater trotz Patientenverfügung dennoch in die Notaufnahme gebracht und mit Infusionen weiter am Leben gehalten wird, wie Ilse Biberti bis zum Schluss dafür kämpfen muss, dass endlich der Wille ihres Vaters berücksichtigt wird und er in Frieden sterben kann.

Dieses Buch lässt dem Leser keine Wahl. Der aus der Ich-Perspektive geschriebene Bericht der gemeinsamen Treffen, der langen Gespräche über mögliche Konzepte für ein Leben im Alter und die dafür nötigen Rahmenbedingungen, wird immer wieder unterbrochen durch Bibertis detailgenaue Schilderung der Pflegesituation mit ihrer Mutter. Diese rückhaltlose Offenlegung der eigenen Situation schafft eine große Nähe zu den Autoren und gibt dem Buch eine starke Authentizität.

Henning Scherf ist während der Entstehungszeit dieses Buches oft unterwegs. Er führt ein sehr aktives und engagiertes Leben. Seine Briefe an Ilse Biberti halten die Diskussion auch während dieser Reiseunterbrechungen aufrecht.

Ilse Biberti lebt bei ihrer Mutter in Berlin, Henning Scherf in Bremen. Mal treffen sie sich bei ihm, in der „Alten-WG“, bei seiner Tochter oder bei Bibertis Mutter in Berlin. Aber der örtliche Rahmen ist fast nicht von Bedeutung. Entscheidend sind die Themen und die Entschiedenheit, mit der Scherf und Biberti sie besprechen.

Es ist ein Buch über das Leben im Alter, über die Begrenzung der Möglichkeiten und die Endlichkeit des Lebens. Trotzdem ist dies kein trauriges Buch, sondern aus ihm sprechen ein starker Lebenswille und der unbedingte Gestaltungsanspruch an das eigene Leben.

Altsein darf nicht mehr bedeuten, dass Menschen abgeschoben, abgestellt und weggeschlossen werden. Das Alter muss als eine Chance verstanden werden – für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft. Man muss „Wände einreißen, Türen aufmachen, Begegnungsorte schaffen, voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam aktiv werden!“ meinen die Autoren.

So rufen die Autoren am Ende ihres Buches gemeinsam alle Menschen auf, sich an dem Projekt eines aktiven Altseins aktiv zu beteiligen, Engagement zu zeigen, Prozesse anzustoßen, selbst Konzepte zu entwickeln und gemeinsam an der Idee zu arbeiten, sich selbst und anderen ein sinnerfülltes Leben im Alter zu ermöglichen. Dazu haben sie eine Website eingerichtet: www.das-alter-kommt-auf-meine-weise.de bzw. www.auf-meine-weise.de.

Welche Möglichkeiten und Chancen das Alter bietet und wie jeder schon heute die Weichen für sein eigenes Leben im Alter stellen kann, davon handelt dieses wunderbare und wichtige Buch.

 

Autor: Ilse Biberti, Henning Scherf
Titel: „Das Alter kommt auf meine Weise“
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Südwest-Verlag
ISBN: 3517085278
EAN: 978-3517085272

 

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