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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Gerd Billen: „Ausgetrickst und angeschmiert. – Wie wir Verbraucher uns wehren können.“

Am: | Mai 20, 2009

Gerd Billen: "Ausgetrickst und angeschmiert"Können wir noch vertrauensvoll zubeißen und im Supermarkt einkaufen, wenn Lebensmittelskandale mit Gammelfleisch, gepanschtem Wein, verseuchter Babynahrung und die Gesundheit gefährdendem Obst täglich (nicht nur) in den Nachrichten auftauchen? – Werden wir nicht immer häufiger am Telefon von Telekommunikations-Firmen und Zeitschriftenverlagen angerufen und mit undurchschaubaren Tarifmodellen und Super-Sonder-Abos belästigt? 

Bombardiert uns der Handel nicht jeden Tag mit großartig scheinenden Angeboten, angeblich kostenlosen Krediten und nahezu unwiderstehlichen „Schnäppchen“-Angeboten? – Hängen wir dann in einem Reklamationsfall nicht immer wieder in der Endlos-Warteschleife eines Sprachcomputers der „24-Stunden-Service-Hotline“ oder schlagen uns mit dem unqualifizierten und schlecht gelaunten weil chronisch unterbezahlten Personal von outgesourcten Call-Centern herum?

Gerd Billen ist seit 2007 Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale. In seinem im Westend-Verlag erschienenen Buch zeigt er, wie wir Verbraucher von den Unternehmen – im wahrsten Sinne – „Ausgetrickst und angeschmiert“ werden.

Der Verbraucher bekommt es zu spüren, wenn Märkte liberalisiert, Waren grenzenlos gehandelt und Dienstleistungen im Internet erbracht werden. Auf einmal kommen persönliche Daten auf den Markt. Der Wettbewerb im Gesundheitswesen fordert den modernen Konsumenten ebenso wie seine plötzliche Zuständigkeit für die eigene Altersvorsorge.

Natürlich gibt es die Verbraucherzentrale, an die sich jeder Verbraucher wenden kann, um sich beraten zu lassen oder Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und den Verbraucherschutz zu melden. Aber ändert sich durch die Existenz der Verbraucherzentrale wirklich etwas im zum Teil fahrlässigen, zum Teil vorsätzlich die Verbraucherrechte verletzenden Verhalten der Großunternehmen?

Die Aufgabe liegt in der Schaffung und Durchsetzung eines europäischen Verbraucherschutzes, der (wenn schon nicht übergeordnet, so doch wenigstens) parallel zum deutschen Verbraucherschutzrecht den Konsumenten die Chance auf einen ungestörten und unschädlichen Konsum einräumen sollte. Denn ist es überhaupt möglich, nach deutschem Recht die Verbraucher gegenüber Firmen zu schützen, deren Call-Center in Indien, Irland oder den Niederlanden sitzen?

Der Autor führt uns in seinem Buch kreuz und quer durch die bunte Konsumentenwelt. Er zeigt, dass der Verbraucher längst nicht immer nur mit Samthandschuhen angefasst wird, und wie viele Fallstricke und hinterlistige Tricks angewandt werden, um den Konsumenten übers Ohr zu hauen. Gerd Billen kritisiert in seinem Buch aber auch das Schnäppchen-Denken der einkaufenden Massen und macht klar, dass letzten Endes Geiz alles andere als „geil“, sondern nur kurzfristig auf den eigenen Vorteil bedacht ist. – Geiz gehörte in früheren Zeiten nicht zu Unrecht zu den „Sieben Todsünden“…

In zahlreichen Fallbeispielen zeigt der Autor, wie dem Verbraucher gewöhnlich das Fell über die Ohren und das Geld aus der Tasche gezogen wird. Damit zumindest die Leser dieses interessanten Buches davor in Zukunft bewahrt bleiben, hat Billen am Ende des Buches eine Liste von „111 Fallen für Verbraucher“ angelegt – mit guten Tipps, wie man sich wehren kann.

Viele Menschen fühlen sich überfordert und ausgeliefert, ausgetrickst und angeschmiert. Dabei kommt ein wirksamer Verbraucherschutz sowohl den guten Unternehmen als auch den Konsumenten und der Gesellschaft insgesamt zugute. Gerd Billen zeigt, was in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft passieren muss, damit die Verbraucher endlich wieder beruhigt einkaufen können.

Gerd Billen nennt ganz konkrete Vorschläge für ein „10-Punkte-Progrmm für eine zukunftsweisende Verbraucherpolitik“. Es wird Zeit, dass die Politik endlich ihre Hausaufgaben macht und nachhaltig die vitalen Interessen der Verbraucher vertritt und dem allzu wild wuchernden Markt-Liberalismus vernünftige Grundlagen des Verbraucherschutzes entgegensetzt.

Wir sind alle für „freie Märkte“, aber deshalb ist der Konsument noch lange kein Freiwild, das bedenken- und folgenlos „Ausgetrickst und angeschmiert“ werden darf.

 

Autor: Gerd Billen
Titel: „Ausgetrickst und angeschmiert“
Gebundene Ausgabe: 246 Seiten
Verlag: Westend Verlag
ISBN: 3938060328
EAN: 978-3938060322

 

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