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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Stefan Maiwald: „Meine Bar in Italien – Warum uns der Süden glücklich macht“

Am: | Mai 22, 2025

Wenn Stefan Maiwald über Italien schreibt, so ist es, als würde er nicht bloß ein Land beschreiben, sondern ein Versprechen. Ein Versprechen auf Wärme, auf das langsame Ticken der Uhren, auf Gespräche mit Fremden, die sich binnen Minuten in Vertraute verwandeln – und auf ein Leben, das seinen Sinn nicht im Funktionieren, sondern im Genießen findet. In Meine Bar in Italien – Warum uns der Süden glücklich macht verknüpft Maiwald persönliche Anekdoten, feine kulturphilosophische Beobachtungen und eine gute Prise augenzwinkernden Charmes zu einer Liebeserklärung an ein Land, das ihm Heimat geworden ist. Zugleich ist es eine leise Kritik an der deutschen Rastlosigkeit und Selbstoptimierung, in der das Dolce Vita oft wie ein unerreichbarer Mythos erscheint.

Stefan Maiwald, geboren 1971 in Braunschweig, ist längst kein Tourist mehr in Italien. Er lebt seit vielen Jahren mit seiner Familie in Grado, einer kleinen Stadt in der Nähe von Venedig. Seine Bücher zeichnen sich durch Beobachtungsgabe, eine erzählerische Leichtigkeit und kluge Alltagsphilosophie aus. Maiwald gehört zu den deutschsprachigen Autoren, die Italien nicht bloß bereisen, sondern es durchdringen wollen – mit Herz, Witz und Reflexion.

In Meine Bar in Italien erzählt Maiwald nicht einfach davon, wie schön es ist, morgens einen Cappuccino in der Sonne zu trinken oder abends mit Freunden auf der Piazza zu sitzen. Vielmehr spürt er der Frage nach, warum uns der Süden so anzieht – und was genau uns dort glücklicher macht. Seine Antwort ist ein erzählter Essay über Lebenskunst: Das Glück, das wir im Süden verspüren, speist sich aus Einfachheit, Langsamkeit, Gelassenheit – aus einem Alltag, der nicht von Effizienz, sondern von Begegnungen geprägt ist.

Die Bar steht dabei im Zentrum seiner Reflexionen. Sie ist nicht nur ein Ort für Kaffee oder Aperitivo, sondern ein sozialer Knotenpunkt, ein Raum der Vertrautheit und Kommunikation. Die „Bar als Lebensform“ wird hier zum Mittelpunkt des alltäglichen Lebens; die Bar wird zu einem Treffpunkt im öffentlichen Raum, an dem sich gemeinsames Leben materialisiert.

So wird die Bar in allererster Linie zu einem Ort zwischenmenschlicher Kommunikation. Hier trifft man sich zufällig oder verabredet sich, hier werden Geschichten erzählt und die neuesten Nachrichten kommentiert; hier liest man die Gazetta dello Sport, die hier jeden Morgen auf dem Tresen liegt und von einem zum anderen wandert.

Stefan Maiwald erzählt in diesem schmalen Buch von seinen Begegnungen in der Bar; er wohnt seit vielen Jahren in Grado und ist mit einer Italienerin verheiratet. Die Bar von Pino wurde mit den Jahren zu seinem zweiten Wohnzimmer; die Geschichten, die er hier hört, hat er aufgeschrieben, und in ihnen steckt eine Menge Lebenskunst und Alltagsphilosophie.

Wir hier oben im Norden haben längst aufgehört, unser Leben und unser Handeln zu hinterfragen. Wir haben schlichtweg keine Zeit im alltäglichen Hamsterrad der beruflichen und privaten Herausforderungen. – Ja, natürlich sind das Klischees, aber etwas Wahres ist schon dran an den Vorwürfen, dass viele von uns ihr Leben vor allem mit Arbeit und Sorgen und Zukunftsängsten verbringen.

Dass es auch anders gehen könnte, erahnen wir bestenfalls im Urlaub, sofern uns auch da neben all den Freizeitaktivitäten und intensiven Anstrengungen in Sachen Selbstoptimierung noch ein wenig Zeit bleibt zum – Innehalten. Doch genau dieses Innehalten scheint Stefan Maiwald in Italien gelernt zu haben. Denn seine Texte strahlen nicht nur eine Ruhe und – ja, eine gewisse Lebensweisheit aus, die sich während der Lektüre schnell auf die Leser überträgt.

Wer dieses Büchlein liest, sitzt neben dem Autor in der italienischen Bar, geht mit ihm durch die kleinen, engen Straßen des Ortes und hört den kleinen Geschichten aus dem Alltag zu.

Und so lernen wir Roberto, Bruno, Maria, Matteo und Giulio kennen, Roby, Attilio und Giorgia und viele andere, deren Geschichten uns jeweils ein Stück Lebenskunst vermitteln über die großen Bereiche des Lebens, das Arbeiten, die Muße, die Kreativität und den Genuss, Familie und die Liebe.

Die Fähigkeit, das Leben nicht als Projekt, sondern als Prozess zu begreifen: Dies ist eine der wichtigsten Lehren, die Maiwald in Italien gelernt hat. Wer Projekte verfolgt, ist hartnäckig, mitunter verbissen und vor allem zielorientiert. Nun ist das völlig in Ordnung, falls es sich um ein berufliches Projekt handelt; doch selbst in Sachen beruf und Karriere hat der Autor sehr grundlegende und kluge Ratschläge parat. – Wenn es jedoch um das Leben geht, so wird man schnell an seine Grenzen stoßen, wenn man es als „Projekt“ betrachtet; denn das Leben ist im Grunde niemals wirklich planbar, das denken wir bloß oder wünschten es uns vielleicht.

Aber eigentlich wäre es auch gar nicht wünschenswert, sondern ziemlich langweilig, wenn sich unser Leben komplett durchplanen ließe. Nein, das Leben ist ein Prozess, dessen Verlauf nicht nur von uns bestimmt wird, sondern von vielen Unvorhersehbarkeiten. Wer sich mit dieser Vorstellung vom Leben anfreunden kann, erspart sich eine Menge Enttäuschungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Meine Bar in Italien ist kein Italien-Reiseführer und auch kein Selbsthilfe-Ratgeber im klassischen Sinne. Es ist eine literarische Reise in die Seele des Südens – erzählt mit Witz, Wehmut und Wärme. Für all jene, die sich für interkulturelle Beobachtungen interessieren, die eigene Lebensgewohnheiten hinterfragen wollen oder schlicht eine Auszeit vom funktionalen Denken suchen, ist dieses Buch eine wunderbare Lektüre. Besonders geeignet ist es für Menschen, die Italien nicht nur geografisch, sondern emotional bereisen wollen. Und für jene, die – wie Maiwald selbst – glauben, dass das Glück manchmal nur einen Espresso entfernt ist.

 

 

 

Autor: Stefan Maiwald
Titel: „Meine Bar in Italien – Warum uns der Süden glücklich macht“
Herausgeber: Piper Taschenbuch
Seitenzahl: 128 Seiten
ISBN-10: 3492321356
ISBN-13: 978-3492321358

 

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