Martina Heßler: „Sisyphos im Maschinenraum – Eine Geschichte der Fehlbarkeit von Mensch und Technologie“
Am: | April 25, 2025
Martina Heßlers Buch Sisyphos im Maschinenraum – Eine Geschichte der Fehlbarkeit von Mensch und Technologie bietet eine tiefgreifende Analyse des Spannungsverhältnisses zwischen menschlicher Unvollkommenheit und dem Streben nach technologischer Perfektion. Die Autorin, Professorin für Technikgeschichte an der TU Darmstadt, untersucht, wie seit der Industrialisierung der Mensch zunehmend als fehleranfällig dargestellt wird, während Maschinen als ideale Problemlöser gelten. Heßler beleuchtet die kulturellen und historischen Entwicklungen, die zu dieser Sichtweise geführt haben, und zeigt auf, wie diese Perspektive unsere Gesellschaft bis heute prägt.
In der Einleitung thematisiert Heßler die besondere Form menschlicher Fehlbarkeit im Kontext technischer Systeme. Sie stellt die These auf, dass die moderne Gesellschaft den Menschen als Mängelwesen betrachtet, dessen Fehler durch technologische Lösungen kompensiert oder eliminiert werden sollen. Diese Sichtweise hat sich laut Heßler seit dem 19. Jahrhundert verfestigt und beeinflusst bis heute unser Verhältnis zur Technik.
Im ersten Kapitel analysiert Heßler die Wahrnehmung des Menschen als fehlerhaft im Vergleich zur Technik. Sie diskutiert verschiedene Interpretationen menschlicher und maschineller Unvollkommenheiten und verweist auf Denker wie Günther Anders, der die „Faulty Construction“ des Menschen thematisierte. Heßler zeigt auf, wie die Überlegenheit der Technik und die Minderwertigkeit des Menschen in der Kulturgeschichte verankert sind.
Das zweite Kapitel widmet sich den „Obsessionen der mechanischen Moderne“. Heßler untersucht, wie seit dem frühen 19. Jahrhundert das Ideal der Maschine den fehlerhaften Menschen in verschiedenen Lebensbereichen beeinflusst hat. Sie beleuchtet die Rolle mechanischer Maschinen in Fabriken, die Entwicklung von Entscheidungsmaschinen, die Bedeutung des Automobils, die Einführung sozialer Maschinen wie Roboter, den Einsatz moralischer Maschinen wie Lügendetektoren und die generelle Obsession der Moderne mit der perfekten mechanischen Maschine.
Im dritten Kapitel, das die buchtitelgebende Überschrift „Sisyphos im Maschinenraum“ trägt, beschreibt Heßler die Herausforderungen des fehlerhaften Menschen im 20. Jahrhundert. Sie diskutiert die endlose Steigerung der „Maschinisierung“ und die Rolle der Human-Factors-Forschung in den 1950er Jahren, die einen neuen Blick auf menschliche Fehler ermöglichte. Heßler argumentiert, dass der Mensch in einer selbst geschaffenen technischen Umgebung ständig mit der Beseitigung von Fehlern beschäftigt ist, ähnlich dem mythischen Sisyphos.
Das vierte Kapitel behandelt die Zeit von den 1970er Jahren bis heute und fokussiert auf „Computerbugs, irrtümliche KI und kaputte Superhumans“. Heßler beschreibt ein neues Zeitalter technologischer Fehler, in dem Maschinen selbst fehlerhaft sind. Sie diskutiert die Konzepte künstlich fehlerhafter Intelligenz und die Realität alltäglicher Cyborgs, bei denen biologische Körperteile durch Technik ersetzt oder repariert werden. Heßler zeigt auf, dass trotz technologischer Fortschritte Fehler weiterhin bestehen und neue Herausforderungen mit sich bringen.
Im abschließenden Kapitel plädiert Heßler dafür, die Illusion einer fehlerfreien Welt zu verabschieden. Sie betont, dass Fehler ein integraler Bestandteil menschlicher Existenz sind und dass der Versuch, sie vollständig durch Technologie zu eliminieren, nicht nur unrealistisch, sondern auch gesellschaftlich problematisch ist. Heßler ruft dazu auf, eine neue Perspektive auf das Mensch-Maschine-Verhältnis zu entwickeln, die die Fehlbarkeit als menschliche Stärke anerkennt.
Martina Heßler ist eine renommierte Historikerin mit einem Schwerpunkt auf Technikgeschichte. Nach ihrer Promotion an der TU Darmstadt im Jahr 2000 war sie in verschiedenen wissenschaftlichen Positionen tätig, unter anderem an der Universität Bielefeld, der RWTH Aachen und der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Seit 2019 ist sie Professorin für Technikgeschichte an der TU Darmstadt. Heßler hat zahlreiche Publikationen zur Kulturgeschichte der Technik, zur Geschichte des Mensch-Maschine-Verhältnisses und zu technologischen Fehlern veröffentlicht. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch eine interdisziplinäre Herangehensweise aus, die historische, kulturelle und technologische Aspekte miteinander verknüpft.
Insgesamt bietet Sisyphos im Maschinenraum eine tiefgründige Analyse der kulturellen Konstruktion von Fehlbarkeit im Kontext technologischer Entwicklungen. Heßler zeigt auf, wie die Vorstellung von menschlicher Unvollkommenheit und technischer Perfektion unsere Gesellschaft geprägt hat und plädiert für einen bewussteren Umgang mit Fehlern. Das Buch ist besonders geeignet für Leserinnen und Leser aus den Bereichen Technikgeschichte, Kulturwissenschaften, Soziologie und Philosophie sowie für alle, die sich für das Zusammenspiel von Menschen und Technik interessieren.
Autor: Martina Heßler
Titel: „Sisyphos im Maschinenraum – Eine Geschichte der Fehlbarkeit von Mensch und Technologie“
Herausgeber: C.H.Beck
Gebundene Ausgabe: 297 Seiten
ISBN-10: 3406823300
ISBN-13: 978-3406823305
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