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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Volker Weiß: „Das Deutsche Demokratische Reich — Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört“

Am: | Februar 15, 2025

Volker Weiß gehört zu den führenden Experten für die Neue Rechte in Deutschland und analysiert in Das Deutsche Demokratische Reich, wie die extreme Rechte Geschichte instrumentalisiert und demokratische Werte infrage stellt. In seinem neuen Buch setzt sich Weiß mit den ideologischen und geschichtspolitischen Strategien auseinander, die von rechtsextremen Gruppen genutzt werden, um ihre Vorstellungen in den öffentlichen Diskurs einzuschreiben. Dabei legt er ein besonderes Augenmerk auf die Manipulation historischer Narrative und die Verwendung semantischer Verschiebungen zur politischen Einflussnahme.

Das Buch gliedert sich in mehrere Hauptkapitel, die jeweils unterschiedliche Aspekte der neurechten Ideologie beleuchten. Zu den wichtigsten zentralen Themen gehören die Geschichtspolitik der Rechten, die Resignifikation (Umdeutung) und Instrumentalisierung der deutschen Geschichte, vor allem durch eine Umdeutung des Nationalsozialismus mit dem Ziel seiner Rehabilitierung. Russland dient der Neuen Rechten in vielen Bereichen als ideologisches Vorbild und als Vorreiter bei der Dekonstruktion des demokratischen Systems.

Weiß beschreibt detailliert, wie die Neue Rechte historische Begriffe und Konzepte umdeutet. Ein zentrales Motiv ist die Resignifikation von Begriffen wie „Sozialismus“, die ursprünglich eine linke Bedeutung hatten, nun aber von rechten Akteuren zur Stärkung ihres eigenen Diskurses genutzt werden . Diese Strategien führen dazu, dass ideologische Grenzlinien verwischt werden und extrem rechte Positionen im gesellschaftlichen Diskurs anschlussfähig erscheinen.

Die Neue Rechte neigt dazu, historische Entwicklungen selektiv zu betrachten. Beispielsweise wird die DDR von einigen Akteuren nicht als sozialistischer Staat, sondern als ein Modell für autoritäre Ordnung und nationalstaatliche Homogenität dargestellt. Der Wunsch nach einer „national befreiten Zone“ zeigt sich besonders in Bezug auf Ostdeutschland, das als Rückzugsraum für „ethnisch Deutsche“ stilisiert wird.

Ein weiteres Thema des Buches ist die wachsende Affinität der Neuen Rechten zu Russland. Weiß beschreibt, wie Figuren wie Alexander Dugin als Inspirationsquelle für das antiwestliche Weltbild der extremen Rechten dienen . Dabei wird Russland nicht nur als geopolitischer Gegenspieler zum „dekadenten Westen“ betrachtet, sondern auch als Modell für eine autoritäre, nationalistische Ordnung.

Ein besonders brisanter Aspekt ist die Versuche der Neuen Rechten, den Nationalsozialismus in bestimmten Bereichen umzudeuten. Weiß zeigt, wie rechte Denker die NS-Zeit als eine Epoche „deutschen Sozialismus“ umdeuten, um damit eine ideologische Brücke zwischen rechter und linker Rhetorik zu schlagen . Dabei wird gezielt mit Begriffen und Konzepten gespielt, um historisch belastete Ideologien in neuen Gewändern erscheinen zu lassen.

Weiß analysiert zudem, wie rechte Intellektuelle das demokratische System untergraben, indem sie es als „repressiv“ und „antivölkisch“ darstellen . Diese Diskursstrategien haben das Ziel, die Legitimität demokratischer Institutionen zu untergraben und autoritäre Alternativen als wünschenswerte Alternativen zu positionieren.

Die packend geschriebene Analyse von Volker Weiß ist stark theoretisch fundiert und bezieht sich auf zahlreiche soziologische und philosophische Konzepte. Er zeigt, dass sich die Neue Rechte Techniken der Kritischen Theorie und des Dekonstruktivismus zunutze macht, um hegemoniale Diskurse umzulenken. Dabei gelingt es ihm, die Komplexität dieser Strategien verständlich darzustellen, ohne sich in theoretischen Exkursen zu verlieren.

Ein großer Verdienst des Buches ist die detaillierte Untersuchung der sprachlichen und ideologischen Strategien der Neuen Rechten. Weiß gelingt es, die Mechanismen der semantischen Verschiebung und historischen Umdeutung präzise nachzuzeichnen. Gleichzeitig könnte man kritisieren, dass er sich stellenweise zu sehr auf diskurstheoretische Ansätze konzentriert und weniger auf empirische Untersuchungen über die tatsächliche politische Wirkung dieser Strategien eingeht. Ein stärkerer Fokus auf konkrete Beispiele für die Umsetzung dieser Diskursstrategien in der politischen Praxis wäre wünschenswert gewesen.

Das neue Buch von Volker Weiß mit dem provokanten Titel Das Deutsche Demokratische Reich ist eine fundierte Analyse der geschichtspolitischen und ideologischen Strategien der Neuen Rechten in Deutschland. Weiß zeigt überzeugend, wie rechte Akteure Geschichte und Sprache manipulieren, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Das Buch ist eine wertvolle Lektüre für alle, die sich mit dem Einfluss der extremen Rechten auf den öffentlichen Diskurs auseinandersetzen wollen.

 

 

 

Autor: Volker Weiß
Titel: „Das Deutsche Demokratische Reich“
Herausgeber: Klett-Cotta
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
ISBN-10: 3608966676
ISBN-13: 978-3608966671

 

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