Erich Kästner: „Resignation ist kein Gesichtspunkt – Politische Reden und Feuilletons“
Am: | Januar 2, 2025
Man kennt Erich Kästner als den Kinderbuch-Autor, der Klassiker wie „Emil und die Detektive“. „Pünktchen und Anton“, Das fliegende Klassenzimmer“ und „Die Konferenz der Tiere“ geschrieben hat; und wir kennen Erich Kästner als Lyriker („Dr. Kästners lyrische Hausapotheke“, „Herz auf Taille“), als Satiriker und als Romancier („Fabian“, „Drei Männer im Schnee“). Aber als politischer Autor, als begnadeter Feuilletonist und scharfer Kritiker der politischen Verhältnisse ist Kästner eher wenigen bekannt.
Diese relativ unbekannte Seite des literarischen Schaffens und politischen Wirkens Kästners wird in dem vorliegenden Sammelband „Resignation ist kein Gesichtspunkt – Politische Reden und Feuilletons“ nun einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Die gesamte Zeit seiner schriftstellerischen Laufbahn von den frühen 1920er Jahren bis ins Jahr 1970 wird in diesem Buch abgedeckt; der Kästner-Biograf und -Kenner Sven Hanuschek hat paradigmatische Zeitungsartikel und Reden Kästners herausgesucht und zu einer beeindruckenden Sammlung zusammengestellt.
Geboren am 23. Februar 1899 in Dresden, vollzog sich Erich Kästners literarische und politische Sozialisierung in der frühen Weimarer Republik. Das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Zusammenbruch der alten Weltordnung des Kaiserreichs erlebte er als 19-jähriger. Über Umwege (Lehrerseminar, Studium) kam Kästner zum Journalismus, schrieb Feuilleton-Artikel für die Neue Leipziger Zeitung, den Uhu, Simplicissimus und andere Medien, feierte erste literarische Erfolge mit seinen Gedichtbänden und kurzen Erzählungen; spätestens mit dem Kinder-Kriminalroman „Emil und die Detektive“ (1929) und dem Erwachsenen-Roman „Fabian“ (1931) zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller der Weimarer Republik.
Schon früh wird Kästners pazifistische, antimilitaristische und anti-nationalsozialistische Haltung in seinen literarischen Werken, aber auch in seinen Feuilletons deutlich; die junge deutsche Republik und ihre neuen Freiheiten und Möglichkeiten lagen ihm am Herzen. Kästner hatte ein feines Gespür für die dunklen Machenschaften der Revanchisten und für die Umtriebe der reaktionären Kräfte. Dementsprechend scharf ging er mit diesen Leuten literarisch ins Gericht.
Als der durch die Nationalsozialisten aufgestachelten studentische Mob im Mai 1933 in Berlin auch seine Bücher verbrannte, war Kästner in der Menge der Schaulustigen dabei. „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“, das wusste schon Heinrich Heine. Kästner hätte zu jener Zeit noch emigrieren und einem Heimatland den Rücken kehren können, doch er blieb. Über die Gründe kann man am Ende nur spekulieren; einerseits mögen seine lebenslange starke Bindung zu seiner Mutter, aber auch die Absicht, den nationalsozialistischen Wahnsinn genau zu dokumentieren, alles aufzuschreiben und am Ende (in einer Zeit des „Danach“) einen Roman über das Dritte Reich zu schreiben, für Kästners Entscheidung gegen eine Flucht ins Ausland ausschlaggebend gewesen sein.
Während des Dritten Reichs konnte Kästner schon bald nur noch unter Pseudonym publizieren; er schrieb sogar mit am Drehbuch des erfolgreichen Kinofilms „Münchhausen“ mit Hans Albers. Jene Zeit von 1933-1945 ist — aus gutem Grund — in dem vorliegenden Band ausgespart. In jenen Jahren wäre jede öffentliche Kritik am NS-Regime lebensgefährlich gewesen. Kästner sammelte aber über die gesamte Zeit des Dritten Reiches Material für eine literarische Aufarbeitung jener dunklen Jahre und notierte seine Beobachtungen des alltäglichen Wahnsinns heimlich in schmalen Notizbüchern; ab 1941 führte er auch ein geheimes Kriegstagebuch in jenem berühmten Blauen Buch, einem von seinem Verlag als Druckmuster zur Verfügung gestellter Blindband mit leeren Seiten, das er in seiner Bibliothek versteckte.
Doch schon in der frühen Nachkriegszeit nimmt Kästner wieder seine journalistische Tätigkeit (diesmal als Feuilletonchef der Neuen Zeitung) auf und schreibt beispielsweise über die Nürnberger Prozesse, setzt sich vehement gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands ein und wurde auch auf andere Weise politisch aktiv, ging auf die Straße, beteiligte sich an Demonstrationen und setzte sich als Vorsitzender des deutschen Pen-Clubs gegen Krieg und Aufrüstung ein.
Bereits die frühen feuilletonistischen Beiträge sind in der Form kleiner Geschichten geschrieben, beschreiben Alltagsszenen und sind bei aller politischen Ernsthaftigkeit leicht zu lesen. Der vorliegende Band zeigt einige der bekannten Reden und Feuilletons, aber hinzu kommen viele unbekannte, zum Teil sogar noch ungedruckte Beiträge; viele der hier publizierten Zeitungsartikel wurden seit ihrem ersten Erscheinen in den Tageszeitungen der Weimarer Republik bis jetzt nicht wieder veröffentlicht.
Diese spannende Sammlung politischer Schriften von Erich Kästner lädt nun die Leser ein, sich aus heutiger Sicht ein Bild von seinem Engagement auf dem politischen Feld zu machen. „Bei aller unbezweifelbaren Historizität der Texte“, so der Kästner-Experte Sven Hanuschek in seinem Nachwort, „verhandelt er doch immer wieder Themen, die uns auch heute bewegen – Fragen von Satire und Zensur, Populismus und ansteigendem Nationalismus, Krieg, Aufrüstung und Vergessen“. Wer dieses Buch liest, wird auch unsere politische Gegenwart mit anderen Augen sehen.
Autor: Erich Kästner
Titel: „Resignation ist kein Gesichtspunkt – Politische Reden und Feuilletons“
Herausgeber: Atrium Verlag AG
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
ISBN-10: 3855351333
ISBN-13: 978-3855351336
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