Michael Bienert: „Das aufgeklärte Berlin — Literarische Schauplätze“
Am: | Mai 30, 2024
Die Aufklärung war eine bedeutende intellektuelle Bewegung im 18. Jahrhundert, die Vernunft, Wissenschaft und individuelle Freiheit betonte. In Berlin, der Hauptstadt Preußens, nahm diese Bewegung eine besonders lebendige und einflussreiche Form an. Berlin wurde zu einem Zentrum der Aufklärung dank der Unterstützung von Königen wie Friedrich II., bekannt als Friedrich der Große, und der Aktivitäten zahlreicher bedeutender Denker und Schriftsteller.
Friedrich der Große spielte eine zentrale Rolle in der Berliner Aufklärung. Als Monarch förderte er die Wissenschaften und die Künste, lud Intellektuelle an seinen Hof ein und schuf eine Atmosphäre der Toleranz und des intellektuellen Austauschs. Unter seiner Herrschaft wurden wichtige Institutionen wie die Berliner Akademie der Wissenschaften gestärkt, die ein Forum für wissenschaftliche und philosophische Diskussionen bot.
Einer der prominentesten Denker der Berliner Aufklärung war Moses Mendelssohn. Mendelssohn, ein jüdischer Philosoph, trug wesentlich zur Entwicklung der Aufklärung bei, indem er die Ideen der Toleranz und des interreligiösen Dialogs förderte. Sein Werk „Phaedon“ war ein bedeutender Beitrag zur Philosophie der Aufklärung und brachte ihm den Beinamen „der deutsche Sokrates“ ein.
Ein weiterer wichtiger Akteur war Gotthold Ephraim Lessing, ein Dramatiker, Kritiker und Philosoph. Lessing setzte sich vehement für religiöse Toleranz und die Trennung von Kirche und Staat ein. Sein bekanntestes Werk, „Nathan der Weise“, propagierte die Idee der religiösen Toleranz und gilt als ein Schlüsseltext der Aufklärung.
Immanuel Kant, obwohl hauptsächlich in Königsberg tätig, beeinflusste die Berliner Aufklärung maßgeblich mit seinen Schriften. Sein Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ definierte den Kern der Aufklärungsbewegung: den Mut, sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Berlin war auch ein Zentrum der Wissenschaften. Alexander und Wilhelm von Humboldt, die beide in Berlin wirkten, leisteten bedeutende Beiträge zur Naturwissenschaft und Bildungsreform. Die Humboldt-Universität zu Berlin, die von Wilhelm von Humboldt gegründet wurde, verkörperte die Prinzipien der Aufklärung in ihrem Streben nach Wissen und Forschung.
Zusammengefasst war die Aufklärung in Berlin geprägt durch die Förderung der Wissenschaft, die Verteidigung der individuellen Freiheit und die Entwicklung eines kritischen, rationalen Denkens. Die Hauptakteure dieser Bewegung hinterließen ein bleibendes Erbe, das die intellektuelle Landschaft Europas nachhaltig prägte.
Der selbsternannte „Berlinologe“ Michael Bienert befasst sich in dem vorliegenden Bildband mit der Berliner Aufklärung, jener spannenden Zeit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Michael Bienert ist längst zu einer „Qualitätsmarke“ geworden: Was er anfässt und wo er mitwirkt, hat Hand und Fuß, ist wissenschaftlich fundiert, immer ordentlich recherchiert und wird mit einer Lebendigkeit und Begeisterung vorgetragen, die einfach ansteckend ist. Gäbe es einen Michael Bienert nicht, so müsste man ihn erfinden!
Der Autor hat bereits zahlreiche Berlin-Bücher in der Buchreihe Literarische Spaziergänge des Verlags Berlin Brandenburg veröffentlicht, und auch dieses Buch über „Das aufgeklärte Berlin“ ist nach dem gleichen Schema verfasst.
In mehreren Spaziergängen wandert der Autor mit den Lesern durch das heutige Berlin und verbindet die Berliner Gegenwart mit der spannenden Vergangenheit, „Im Raume lesen wir die Zeit“ — Jenes ursprünglich von dem Zoologen und Geographen Friedrich Ratzel am Ende des 19. Jahrhunderts geprägte und hundert Jahre später von dem Historiker Karl Schlögel für die Geschichtswissenschaft nutzbar gemachte Motto findet auch bei Michael Bienert seine ortsbezogene Umsetzung:
Indem wir an einen historischen Ort gehen und uns mit seiner Gegenwart und seine Geschichte vertraut machen, erhalten wir einen neuen Zugang zur Historizität eines Ortes. Anders gesagt, sind wir in der Lage, Geschichte als einen raumzeitlichen Prozess zu verstehen, der niemals abgeschlossen ist.
Ganz praktisch lässt sich dies an einem Ort der Stadtlandschaft nachvollziehen, der mehr oder weniger noch genau so aussieht wie zu jener Zeit der Berliner Aufklärung, solche Orte und Gebäude gibt es in Berlin nicht viele, aber einige. Doch selbst wenn die alten Gebäude nicht mehr stehen, schafft es der Autor immer wieder, die historische Bedeutung jener Leerstellen zu vermitteln.
Michael Bienert leitet seit über 30 Jahren Führungen und Spaziergänge durch Berlin, die sich unterschiedlichen Themen der Kultur- und Stadtgeschichte Berlins widmen. Im Grunde könnte man seine schön gestalteten Bildbände aus der Reihe Literarische Spaziergänge als „Begleitbücher“ verstehen, die in aller Tiefe die Besonderheiten jener Orte belegen und vor allem auch die langen und intensiven Recherchen des Autors erahnen lassen.
So lädt uns der Autor ein, auf 160 Seiten mit zahlreichen Abbildungen auf die Reise in die Berliner Aufklärung zu gehen. — Es lohnt sich! Denn die aufklärerischen Ideale der Betonung der Vernunft, der Siegeszug der Wissenschaft und der Gedanke der individuellen Freiheit führten nicht nur zu Fortschritten in den Wissenschaften und den Künsten, sondern schafften auch die Voraussetzungen für eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft.
Autor: Michael Bienert
Titel: Das aufgeklärte Berlin — Literarische Schauplätze
Herausgeber: Verlag für Berlin-Brandenburg
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
ISBN-10: 3969820545
ISBN-13: 978-3969820544
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