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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Ines Burdow, Andreas Hüneke (Hg.): „Sweetheart, es ist alle Tage Sturm — Lyonel Feininger — Briefe an Julia 1905-1935“

Am: | September 29, 2021

Es gibt sie immer noch, die spektakulären Entdeckungen in den Archiven, und dieses Buch ist dafür der beste Beweis! — Das Leben von Lyonel und Julia Feininger gäbe allein schon genügend Stoff her für eine spektakuläre Biografie — dies beweist auch die jüngst im Rowohlt Verlag erschienene Lyonel Feininger-Biografie von Andreas Platthaus! —, doch Ines Burdow und Andreas Hüneke haben noch tiefer gegraben und einen wahren Schatz gehoben, welcher uns dieses bewegte Künstlerleben aus erster Hand präsentiert, nämlich im Briefwechsel der beiden lebenslangen Künstler und Eheleute Lyonel und Julia Feininger.

Als sich Julia Berg und Lyonel Feininger 1905 das erste Mal begegneten, waren beide anderweitig verheiratet, doch schnell erkannten sie in dem Anderen ihr Alter Ego. Sie heirateten und sollten fortan ein Leben lang zusammenbleiben. Beide waren künstlerisch tätig, doch schon bald trat Julia in den Hintergrund, um Lyonels künstlerische Karriere zu fördern — ein Schicksal, das sie mit vielen Künstlerinnen teilte. Gleichwohl blieb sie für ihren Mann stets eine kritische Instanz auf Augenhöhe.

Nachdem Ines Burdow von der Quedlinburger Lyonel-Feininger-Galerie zur Vorbereitung einer Lesung die Transkription von über 850 Briefen von Lyonel Feininger an seine zweite Frau Julia bekommen hatte, wurde ihr schnell klar, welch einen Schatz sie in den Händen hielt: „Dreißig Jahre Leben, dreißig Jahre Zeitgeschichte aus der Perspektive Lyonel Feiningers, das meiste davon unveröffentlicht oder lediglich verstreut auffindbar in Ausstellungskatalogen und wissenschaftlichen Fachpublikationen“, Briefe von 1905 bis 1935.

Die für dieses Buch ausgewählten Briefe zeichnen ein komplexes Panorama der bewegten Zeiten des deutschen Kaiserreichs, des Ersten Weltkriegs, der Weimarar Republik bis zu ihrem Scheitern und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. All dies gespiegelt am privaten und künstlerischen Leben Lyonel Feiningers und seiner Familie.

Lyonel Feininger wurde 1871 als Kind zweier angesehener deutscher Musiker in New York geboren und kam erstmal mit 16 Jahren nach Deutschland. Als Deutsch-Amerikaner blieb er zeit seines Lebens beiden Kulturen verbunden, und diese doppelte Bindung bildet gleichzeitig den Spannungsbogen seines privaten Lebens und seines künstlerischen Schaffens.

Die beiden Herausgeber unterteilen ihre Briefauswahl in sieben chronologisch aufeinanderfolgende Abschnitte. Jeder neue Abschnitt wird in gebotener Kürze mit den wichtigsten biografischen Eckdaten verbunden und gibt somit auch allen Leserinnen, welche noch nicht mit dem bewegten Leben der Feiningers vertraut sind, eine gute Einstiegshilfe.

Bereits nach wenigen Kapiteln wird der Wunsch geweckt, noch mehr über dieses faszinierende Künstlerehepaar zu erfahren. Hier meldet sich Andreas Platthaus mit seiner neuen hervorragenden Biografie Lyonel Feiningers zur Stelle. Während jede dieser beiden Neuerscheinungen schon für sich eine wahre Entdeckung darstellt, bilden die beiden Bücher im Verbund einen sowohl umfangreichen als auch spannenden Zugang zu jener bewegten deutschen Vergangenheit der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts.

 

 

Autor: Ines Burdow, Andreas Hüneke (Hg.)
Titel: „Sweetheart, es ist alle Tage Sturm — Lyonel Feininger — Briefe an Julia 1905-1935“
Herausgeber: Kanon Verlag Berlin
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
ISBN-10: 3985680094
ISBN-13: 978-3985680092

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