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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Antonia Meiners (Hg): „Die Suffragetten — Sie wollten wählen – und wurden ausgelacht“

Am: | Februar 8, 2019

Seit 1919 gibt es in Deutschland das Frauenwahlrecht. Seit hundert Jahren also dürfen Frauen wählen — und natürlich auch zur Wahl antreten.

Heute, hundert Jahre später, wird immer noch über ein Paritätsgesetz debattiert, und in manchen Landtagen ist es jetzt sogar verbindlich, dass genau so viele Frauen wie Männer für die Listen der Parteien aufgestellt werden müssen. Dass man überhaupt zu solchen Mitteln greifen muss, um Paritäten zu erzeugen, ist eigentlich beschämend. Sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein, dass genau so viele Frauen wie Männer sich nicht nur politisch engagieren, sondern auch für Ämter zur Verfügung stellen sollten. — Doch vielleicht wollen die Frauen das gar nicht? Oder zumindest nicht genau so viele Frauen wie Männer, die ja bekanntlich auf die Bestätigung von außen viel stärker angewiesen sind als Frauen …

Genug der Stereotype! Schließlich geht es hier um etwas Anderes, nämlich um die Vorläuferinnen und Vorkämpferinnen für die Frauenrechte: die Suffragetten. Die Bezeichnung stammt natürlich aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Wahlrecht“ (suffrage), womit wir mitten im Thema sind.

Natürlich ging es den „Suffragetten“ nicht allein ums Wahlrecht, aber um dieses ganz besonders, was ja auch legitim ist, schließlich wird in den politischen Positionen und Ämtern Politik gemacht und zwar für alle, also auch für Frauen. Somit ist es eigentlich logisch, dass auch diese Politik nicht nur für, sondern auch von Frauen gemacht werden sollte. Genau hiergegen stellten sich jedoch die Männer, solange es eben ging.

Als die öffentlichen Demonstrationen, die Forderung nach Teilhabe und die Einforderung gleicher Rechte immer lauter wurden, als einzelne Aktivistinnen auch nicht vor Anschlägen und spektakulären Aktionen zurückschreckten, welche die öffentliche Ordnung ins Wanken brachten, wurde das Frauenwahlrecht nach und nach in den meisten europäischen Ländern eingeführt.

Ziemlich zeitgleich vollzog sich dieser Wandel, nicht zuletzt auch durch den nahezu überall in Europa zu beobachtenden politischen Systemwechsel nach dem Ende des 1. Weltkriegs und dem Untergang der Monarchien. Oft zeigten die Suffragetten auch Sympathien für und eine Nähe zu sozialistischen Bewegungen, was verständlich isst, weil auch die Sozialisten für eine neue Gesellschaftsordnung kämpften, in der die Prinzipien der Gleichheit und der Gleichberechtigung gelten sollten.

Das vorliegende Buch stellt die wichtigsten und bekanntesten Suffragetten in Wort und Bild vor. Es gibt Auskunft über den Werdegang und den Einfluss der Einzelnen auf die Frauenbewegung und es zeigt, wie sich weiblicher Protest in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts formierte. Doch das Buch beginnt mit zwei Vorkämpferinnen aus dem 18. Jahrhundert: Olimpe de Gouges (1748-1793) und Mary Wollstonecraft (1759-1797).

Als 1789 die Französische Revolution begann, schrieb Olimpe de Gouges ihre „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die in ihrem Wortlaut zu großen Teilen den siebzehn Artikeln der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Sie versuchte damit, die implizite Gleichsetzung von Mensch und Mann außer Kraft zu setzen. Das war jedoch zu viel an revolutionärem Geist. Olimpe de Gouges wurde verhaftet, angeklagt und durch die Guillotine hingerichtet.

Auch Mary Wollstonecraft versuchte es mit einem Text: der „Verteidigung der Rechte der Frau“ im Jahr 1792. In England war man nicht ganz so heißblütig wie im revolutionären Frankreich, und so bekam Wollstonecraft die Gelegenheit, bereits zentrale Argumente der feministischen Bewegung vorzuformulieren:

Die Benachteiligung der Frauen beruhe vor allem auf der Sozialisation (sowohl der Männer, für die Frauen Menschen zweiter Klasse waren, die über geringe geistige Fähigkeiten verfügten, als auch der Frauen, deren Ausbildung geistiger Fähigkeiten nirgends gefördert und meistens behindert wurden zugunsten eine Ausbildung weiblicher Anpassungsfähigkeit).

Mary Wollstonecraft wurde nicht durch das Schafott gerichtet, wurde aber auch nur 38 Jahre alt; sie starb nach der Geburt ihrer zweiten Tochter. Ihre Tochter wird zwanzig Jahre später als Mary Shelley mit „Frankenstein“ ein Stück Weltliteratur schreiben.

Das schöne und interessante Buch präsentiert die Kurzportraits jener Suffragetten in drei Kategorien: die „Frauen der ersten Stunde“, die „Sozialistinnen“ und die „Radikalen“. Um an dieser Stelle einem Missverständnis vorzubeugen: Unter dem Oberbegriff „Suffragetten“ werden nicht nur englische Kämpferinnen für das Frauen(wahl)recht aufgeführt, sondern auch Aktivistinnen und Kämpferinnen aus Deutschland, dem Habsburgerreich und Russland.

Neben bekannten Namen, wie Rosa Meyreder, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Emmeline Pankhurst, werden 22 weitere Suffragetten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert in Wort und Tat beschrieben. Eine interessante Lektüre, nicht nur für Frauen, sondern für alle, die in diesem Jahr 2019 mehr über die Wurzeln jener politischen Bewegung erfahren möchten, die vor hundert Jahren zur Einführung des Frauenwahlrechts geführt hat.

 

 

Autor: Antonia Meiners (Hg)
Titel: „Die Suffragetten — Sie wollten wählen – und wurden ausgelacht“
Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
Verlag: Elisabeth Sandmann Verlag
ISBN-10: 3945543134
ISBN-13: 978-3945543139

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