Stephan Günzel: „Raum — Eine kulturwissenschaftliche Einführung“
Am: | November 28, 2017
Was ist Raum? Diese lapidar wirkende Frage wird umso komplizierter, je intensiver man sich mit ihr beschäftigt. Der Raum, der Ort, die Grenze — das sind Begriffe, mit denen wir täglich umgehen ohne uns weiter zu fragen, was sie bedeuten, wie sie zu definieren sind und welche Auswirkungen eine unterschiedliche Sichtweise und Interpretation des Raum-Begriffs haben kann.
In den Kulturwissenschaften führte der „spatial turn“ spätestens in den späten 1980er Jahren zu einem Paradigmenwechsel. „Paradigmenwechsel“ — das klingt gut, sehr wissenschaftlich und irgendwie auch abgefahren. Doch letztlich ist damit nur gesagt, dass ein allgemeingültiges Leitthema (Paradigma) in den Wissenschaften von einem neuen abgelöst wird. Die Beschäftigung mit dem Raum ermöglichte eine neue Perspektive auf kulturelle Phänomene.
Stephan Günzel ist unter Anderem Professor für Medientheorie an der Berliner University of Applied Sciences und Gastprofessor für Kulturtheorie und Raumwissenschaft an der Humboldt Universität zu Berlin. Mit anderen Worten: Mit Räumen kennt er sich aus, wie kaum ein anderer deutscher Wissenschaftler, wovon zahlreiche Publikationen, nicht zuletzt die im Suhrkamp-Verlag erschienene Herausgabe des Sammelbandes mit einer Auswahl von Grundlagentexten zur „Raumtheorie“ (zusammen mit Jörg Dünne), zeugen.
Doch nicht erst seit dem kulturwissenschaftlichen „spatial turn“ ist die theoretische Beschäftigung mit dem Raum ein Thema. Ginge man von einer Geschichte der Raumtheorie aus, so ginge der Weg zurück bis Platon und Aristoteles, die bereits eigene Raumvorstellungen entwickelten. Newton, Leibniz, Kant und Einstein wären die nächsten großen Wendemarken einer solchen Geschichtsschreibung. Sodann hat Georg Simmel vor über hundert Jahren mit seiner „Soziologie des Raumes“ auf die soziologische Relevanz des Raumes hingewiesen. Émile Durkheim hatte zeitgleich eine andere Raumvorstellung, die er für seine soziologischen Theorien fruchtbar zu machen versuchte.
Stephan Günzels Buch sieht sich jedoch nicht in erster Linie einer Historiographie einer Theorie des Raumes verpflichtet, sondern fokussiert seine Betrachtung auf die kulturwissenschaftliche Relevanz des Raumbegriffs. Somit unterteilt er seine Einführung in drei große Abschnitte: die Antinomien des Raumes, die Produktion des Raumes sowie das Wenden zum Raum.
Im ersten Abschnitt werden vor allem die Phänomene des Verschwindens und Erstarkens des Raumes behandelt. Der zweite Teil zeigt die Vielfältigkeit der Raum-Produktionen auf, und im dritten und letzten Abschnitt geht es um die im historischen Rückblick immer wieder auftretenden Hinwendungen zum Raum-Phänomen, die sich durch die gesamte Kulturgeschichte ziehen. Denn der „spatial turn“, wie ihn die Kulturwissenschaften begreifen, war kein Paradigmenwechsel, der über Nacht geschah, sondern sich über lange Zeit hinzog.
Immer wieder gelangte der Raum als philosophische Kategorie und als ein Faktor kulturwissenschaftlicher Untersuchungen in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Diese Beschäftigung mit dem Raum ist bis heute nicht abgeschlossen. Das vorliegende Buch mag interessierten Laien wie angehenden Kulturwissenschaftlern als eine erste qualifizierte Einführung dienen.
Autor: Stephan Günzel
Titel: „Raum — Eine kulturwissenschaftliche Einführung“
Taschenbuch: 158 Seiten
Verlag: transcript
ISBN-10: 383763972X
ISBN-13: 978-3837639728
Tags: grenze > kulturwissenschaften > ort > raum > raumtheorie > raumwissenschaft > Rezension Günzel Raum > Rezension Stephan Günzel > Rezension Stephan Günzel Raum > Rezension Stephan Günzel Raum — Eine kulturwissenschaftliche Einführung > spatial turn > stephan günzel > Stephan Günzel Raum > Stephan Günzel Raum — Eine kulturwissenschaftliche Einführung