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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Oliver Ruf, Verena Hepperle, Christof Hamann (Hg.): „Wie aus Theorie Praxis wird — Berufe für Germanisten in Medien, Kultur und Wissenschaft“

Am: | März 15, 2017

Frei nach Friedrich Schiller könnte man die Frage stellen: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Literaturwissenschaft?“ Den ersten Teil der Frage wird sich jeder leicht selbst beantworten können, der diesen Studiengang gewählt hat; interessant wird jedoch die Beantwortung des zweiten Teils.

Es mag Leute geben, die ein Studienfach ganz im Sinne eines „l’art pour l’art“ um seiner selbst willen studieren. Meistens ist es jedoch so, dass man neben dem eigentlichen Erkenntnisgewinn auch gewisse berufliche Absichten mit einem Studium verbindet: sei es der Erwerb einer größeren Fachkompetenz, die es einem nach dem Abschluss des Studiums ermöglichen soll, im Beruf auf interessante Positionen vorzurücken, sei es der Berufswechsel, der mit einem solchen Studium angestrebt wird.

Das vorliegende Buch „Wie aus Theorie Praxis wird“ setzt genau an diesem Punkt an und versucht Germanisten den beruflichen Einstieg nicht nur schmackhaft zu machen, sondern auch zu erleichtern.

Es war wohl schon immer so, dass jemand, der in einer geselligen Runde sagte, er studiere jetzt Germanistik, mit einem mitleidigen Lächeln beantwortete wurde. Bestenfalls wurde noch die Frage gestellt: „Und was machst Du dann später damit?“ Schnell wandte man sich den Erfolgreichen in der runde zu, die BWL, Maschinenbau oder Elektrotechnik studierten. Germanistik, das ist doch was für Loser.

Doch, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Während die Kumpels (die BWLer, Maschinenbauer und Elektrotechniker) im kalten Wind der Wirtschaft behaupten müssen, kann der frischgebackene Germanist einer fröhlichen und hochgeistigen Tätigkeit im Bereich Kultur entgegensehen.

Okay, ganz so fröhlich geht es auch in der Kultur nicht zu, die Geldknappheit der Branche hatte schon immer Tradition. Wer sich auf diesem Feld beweisen will, muss auch als Germanist ein gewisses Talent zur Selbstvermarktung haben. Auch in den Medien sieht es nicht unbedingt besser aus — und schon gar nicht in der Wissenschaft. Im akademischen Betrieb sind die Gelder am knappsten und die Bereitschaft zur Selbstausbeutung am größten.

Trotz all dieser negativen Begleitumstände haben Sie sich ein schönes Studium ausgesucht! Sie arbeiten mit Sprache, wissen, wie Texte funktionieren und können sich vernünftig ausdrücken. Das ist deutlich mehr, als der Durchschnitt unserer Bevölkerung zum Überleben braucht. Natürlich hat diese Kompetenz auch Nachteile: Das Leiden an der Sprache der Anderen, an deren Umgang mit der deutschen Sprache, wird Sie als Germanistik-Studenten mit voller Wucht treffen. — Bäng!! Voll krass, Alder!

Doch jetzt mal ernsthaft: Wer sich auf den steinigen Pfad eines Studiums begibt, sollte zumindest in Umrissen vor seinem geistigen Auge haben, wohin die Reise gehen soll. Die Reise, der Beruf, hört ja nicht am Zielflughafen auf, sondern da geht´s ja eigentlich erst richtig los. Das ist im Berufsleben nicht anders.

Die drei Herausgeber dieses Buches sind „vom Fach“: Christof Hamann ist Literaturprofessor in Köln, Verena Hepperle ist seine wissenschaftliche Mitarbeiterin, und Oliver Ruf lehrt als Professor für Medien- und Gestaltungswissenschaft an der Hochschule Furtwangen. Alle drei kommen also im weiteren Sinne aus dem germanistischen Lehrbetrieb.

In diesem Buch sind Beiträge von Experten versammelt, insgesamt sind es über 20 Autoren, die hier einen Einblick in ihr Fachgebiet geben. Vom Literaturkritiker bis zum Drehbuchautorin, vom Linguistin bis zur Schriftstellerin, vom Literaturagenten bis zur Lehrerin reicht das Spektrum der Autoren.

Der Leser erhält einen exemplarischen Einblick in sein künftiges Berufsleben. Denn die Bezeichnung „Berufsgermanist“ sagt allein noch gar nichts über die jeweilige Tätigkeit aus. Der erfolgreiche Abschluss eines Germanistik-Studiums ist nichts weiter als eine Art Eintrittskarte und lässt viel platz für weitere Spezialisierungen.

Im Idealfall hat man sich während des Studiums schon frühzeitig orientiert und permanent spezialisiert. Um hierbei die richtigen Entscheidungen treffen zu können, sollte man immer bedenken, wohin einen eine Spezialisierung am Ende führt. Vielleicht haben Sie Spaß daran, sich auf das Kino und den Film zu spezialisieren; Sie lieben es, ins Kino zu gehen und tolle Filme anzuschauen; aber können Sie sich wirklich vorstellen, auf dieser Schiene auch ihr Berufsleben aufzubauen?

Wahrscheinlicher wird sein, dass Sie gerne lesen. Okay, dann ist der gedankliche Sprung zur Literaturkritik, zur Verlagsarbeit oder gar zur Schriftstellerei für den Studenten noch leicht vollzogen. Aber wird Sie die tägliche Arbeit in einem Verlag, das intensive Studieren, redigieren und lektorieren fremder Texte wirklich auf Dauer befriedigen? — Vielleicht sagen Sie jetzt: Ja! Na, wunderbar! Dann sind Sie schon ein gutes Stück weiter. Womöglich kommen Ihnen aber doch erste Zweifel…

Genau an diesen Stellen setzt dieses hervorragende und sehr praxisbezogene Buch an. Es ist die erklärte Absicht, Ihnen eine fachkompetente Einführung in das Berufsleben eines Germanisten von heute zu geben. Schon auf den ersten Blick werden Sie feststellen, wie vielfältig und abwechslungsreich die Arbeit mit dieser Ausbildung sein kann. Sie haben Glück, denn anders als in vielen Studiengängen, die mehr oder weniger monodirektional auf ein einziges Berufsbild hin geschneidert sind, bietet das Studium der Literaturwissenschaft ein weites Feld möglicher Berufswege.

Deshalb der dringliche Appell an alle jungen Menschen, die gerade mit dem Germanistik-Studium begonnen haben oder mittendrin sind: Lesen Sie dieses Buch! Lesen Sie es mehrmals! Von vorne nach hinten, quer und rückwärts! Beherzigen Sie die Ratschläge der Praktiker! Nutzen Sie die angehängte Bibliographie und die aktuelle Linksammlung! — Je früher Sie sich über Ihren Berufswunsch klarwerden, desto besser können Sie diesen Weg für sich ebnen und schon während des Studiums an den richtigen Stellschrauben drehen!

 

Autor: Oliver Ruf, Verena Hepperle, Christof Hamann (Hg.)
Titel: „Wie aus Theorie Praxis wird — Berufe für Germanisten in Medien, Kultur und Wissenschaft“
Gebundene Ausgabe: 278 Seiten
Verlag: edition text + kritik
ISBN-10: 3869164735
ISBN-13: 978-3869164731

 

 

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