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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Peter Walther: „Hans Fallada – Die Biographie“

Am: | März 10, 2017

Noch eine Fallada-Biographie? Diese Frage stellt sich in der Tat, weil mit der Biographie von Jenny Williams – 2002 ebenfalls im Aufbau-Verlag erschienen –bereits eine hervorragende Arbeit vorliegt. Dennoch ist diese neue Biographie von Peter Walther jener von Williams aus mehreren Gründen vorzuziehen.

Zum einen ist gerade in den vergangenen Jahren eine Reihe von neuen Dokumenten aufgetaucht, die Falladas Leben und Werk teilweise in ein neues Licht rücken; zum anderen ist Walthers Biographie deutlich umfangreicher und gewichtet die einzelnen Lebensstationen anders. Es mag nicht zuletzt vielleicht auch der Tatsache geschuldet sein, dass Williams a) als Frau und b) als Irin den Stoff, aus dem das Leben gewoben wird, anders behandeln als ein männlicher Biograph.

Selbstverständlich besitzt auch Jenny Williams entsprechende Qualifikationen; als ausgebildete Germanistin arbeitete sie viele Jahre als Associate Professor an der Dublin City University mit dem Schwerpunkt Übersetzungswissenschaft und hat viele Aufsätze zu Leben und Werk Hans Falladas veröffentlicht.

Peter Walther verbindet hingegen neben seiner Promotion in Germanistik und Kunstgeschichte vor allem seine räumliche Nähe zum Forschungsgegenstand; Walther studierte in Falladas Geburtsstadt Greifswald und leitet heute zusammen mit Hendrik Röder das Brandenburgische Literaturbüro in Potsdam. Er ist Mitbegründer des Literaturportals „literaturport“ und veröffentlichte bereits Bücher zur Geschichte der Fotografie und zu mehreren Schriftstellern. Doch zurück zu dieser neuen Biographie.

Hans Fallada wurde 1893 in Greifswald unter dem Namen Rudolf Ditzen geboren, doch bereits sechs Jahre später übersiedelte die Familie des Landrichters und späteren Reichsgerichtsrates Wilhelm Ditzen nach Berlin, wo er zunächst das Prinz-Heinrich-Gymnasiums in Berlin-Schöneberg und später das Bismarck-Gymnasium in Wilmersdorf besuchte.

1909 zog die Familie nach Leipzig, wo Rudolf das Gymnasium in Rudolstadt besuchte; dort kam es auch zu jenem Kontakt, der seinem Leben eine erste tragische Wende geben sollte: Sein Freund und Mitschüler Hanns Dietrich von Necker wird bei einem „Duell“ mit Rudolf getötet, Rudolf selbst wird bei dem Versuch, die Waffe gegen sich selbst zu richten, schwer verletzt. Danach rettet ihn eine Einweisung in die Nervenheilanstalt Tannenfeld in Sachsen vor einer drohenden Haftstrafe.

1913 arbeitet Ditzen als Landwirtschaftseleve in Posterstein (Thüringen). Auch zu diesem Lebensabschnitt haben sich in den vergangenen Jahren neue Dokumente in den Archiven gefunden, die Peter Walther in seine Fallada-Biographie eingearbeitet hat.

Im Ersten Weltkrieg meldet sich Ditzen als Kriegsfreiwilliger und verrichtet einen elftägigen Dienst beim Train in Leipzig; 1916 arbeitet er als Assistent der Landwirtschaftskammer Stettin und als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Kartoffelanbaugesellschaft Berlin.

Die Kriegserlebnisse lassen ihn zu Alkohol und Drogen greifen, bereits 1917 unterzieht sich Ditzen einer Rauschgift-Entziehungskur in Carlsfeld bei Halle, eine zweite folgt 1919 in Tannenfeld.

Hans Falladas erster Roman „Der junge Goedeschal“ erscheint 1920 bei Rowohlt. Fallada arbeitet weiterhin als Rendant auf Rügen, auf Gütern in Mecklenburg, Westpreußen und Pommern.

1923 wird er zu drei Monaten Gefängnis wegen Unterschlagung verurteilt. Er verbüßt seine zweieinhalbjährige Haftstrafe ab 1925 im Gefängnis in Neumünster. Nach seiner Haft heiratet er seine erste Frau Anna und arbeitet als Adressenschreiber in Hamburg sowie als Lokalredakteur am „General- Anzeiger“ Neumünster. 1930 dann endlich der Umzug nach Berlin, wo er Angestellter des Rowohlt-Verlages wird.

Ein Jahr später ermöglicht ihm der Erfolg seines Romans „Bauern, Bonzen und Bomben“ den Kauf eines Hauses in Neuenhagen bei Berlin. Das Jahr 1932 ist schließlich untrennbar mit seinem Welterfolg des Romans „Kleiner Mann, was nun?“ verbunden. Nach der Machtergreifung 1933 durch Hitler zieht sich die Familie ins Ländliche zurück, zunächst nach Berkenbrück bei Frankfurt/Oder und später in das Haus im uckermärkischen Örtchen Carwitz.

Dort schrieb Fallada auch seine weiteren Romane, die nur noch zum Teil politische Themen behandelten, meistens jedoch unverdächtige Stoffe behandelten. Am bekanntesten sind sicherlich „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“ (1934), „Das Märchen vom Stadtschreiber, der aufs Land flog“ (1935), „Wolf unter Wölfen“ (1937) oder „Der eiserne Gustav“ (1938).

1943 reiste Fallada mit dem Reichsarbeitsdienst nach Frankreich – eine Zeit, über die Peter Walther auch neue Dokumente in den Archiven gefunden hat, die diesen Abschnitt beleuchten. Das Jahr 1944 zwingt den alkoholabhängigen Fallada zu einem Aufenthalt in der Landesanstalt Strelitz, wo sein bekanntes „Trinkermanuskript“ entsteht.

Nach der Scheidung von seiner ersten Frau Anna (1944) heiratet Fallada 1945 Ursula Losch. Nach Kriegsende übersiedelt die Familie nach Berlin, wo Fallada und Johannes R. Becher sich begegnen; Fallada wird freier Mitarbeiter der Täglichen Rundschau. Das Folgejahr 1946 ist einer exzessiven Schreibwut gekennzeichnet. In nur wenigen Wochen entstehen die Romane „Der Alpdruck“ und „Jeder stirbt für sich allein“. Danach ist die Gesundheit Falladas zerrüttet, es folgt die Einweisung in die Nervenklinik der Charité. Am 5. Februar 1947 stirbt er in Berlin-Niederschönhausen.

Die von Peter Walther verfasste Biographie greift auf neu entdeckte Materialien zurück und bietet so einen aktuellen Blick auf das Leben von Hans Fallada. Dank des flüssigen Schreibstils des Autors kommt selten bis gar nicht Langeweile auf. Auf 438 Seiten ist der Text mit einer unglaublichen Menge an Fakten gespickt und wirkt bei der Lektüre dennoch weder überladen noch schwerfällig. Der umfangreiche Anhang (über 70 Seiten) mit Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Chronik und Personenregister erfüllt auch die Anforderungen für ein wissenschaftliches Arbeiten mit dieser Biographie.

Fassen wir zusammen: Neu erschlossene Dokumente aus den Archiven erforderten in Teilen eine Aktualisierung der Biographie Hans Falladas. Diese Arbeit wurde von Peter Walther erbracht; auf diese Weise erscheinen ganze Lebensabschnitte Falladas in neuem Licht. Die gute Lesbarkeit dieser faktenreichen Biographie sowie ihre Aktualität machen sie zur ersten Wahl unter den zahlreichen Fallada-Biographien.

 

 

Autor: Peter Walther
Titel: „Hans Fallada – Die Biographie“
Gebundene Ausgabe: 527 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN-10: 3351036698
ISBN-13: 978-3351036690

 

 

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