Marius Hentea: “Tata Dada — Über das wahre Leben und die himmlischen Abenteuer des Tristan Tzara“
Am: | November 7, 2016
Fällt der Name Tristan Tzara, so scheint die erste Assoziation offensichtlich: Dada. Diese Verknüpfung ist zwar richtig, doch sie greift viel zu kurz. Der Rumäne Tristan Tzara ist zwar der Mitbegründer der Schweizer Dada-Bewegung gewesen, die 1916 im Cabaret Voltaire ihren Anfang nahm, doch schon nach wenige Monaten war diese Dada-Phase wieder vorbei. Was dann folgte, geriet lange zeit in Vergessenheit, und doch macht es den Hauptteil des künstlerischen Schaffens dieses Sprachspielers aus.
Tristan Tzara ist ein Künstlername. Geboren 1896 als Samuel Rosenstock in einer jüdischen Familie im Nordosten Rumäniens — das genaue Geburtsdatum ist unbekannt, wächst Tzara auf dem Lande auf. Vor allem um ihren Sohn vor dem rumänischen Militärdienst zu bewahren, schickten ihn die Eltern 1915 in die Schweiz. Für Tzara war es der entscheidende Schritt aus der Enge seiner rumänischen Heimat in eine freie und politisch neutrale Welt.
Schon bald fand er Anschluss an das bunte Kulturleben der Stadt und knüpfte Kontakte zur Zürcher Künstlerbohème. 1916 gründete Tzara zusammen mit Hans Arp und Hugo Ball die Zürcher Gruppe der Dadaisten. Er gilt auch als der Erfinder einer neuen literarischen Form: dem Simultangedicht. 1919 ging Tzara nach Paris und beteiligte sich an den Aktivitäten der Pariser Dadaisten, zusammen mit André Breton, Philippe Soupault und Louis Aragon. Doch schon 1921 überwarf sich Tristan Tzara mit den Pariser Dadaisten. Da war Tzara gerade einmal 25 Jahre alt.
Wenn man Tristan Tzaras künstlerisches Schaffen allein auf seine Dada-Zeit verengt, wird man ihm in keiner Weise gerecht. Jedoch auch eine Reduktion seines Lebens auf seine künstlerische Seite wird Tzara nicht gerecht. Tristan Tzara war in allem Künstler und vor allem „Poéte“, also Dichter. Aber er war auch politischer Aktivist, Kommunist und ein anerkannter Experte Primitiver Kunst.
Von alledem soll an dieser Stelle gar nichts erzählt, sondern der eigenen Lektüre anempfohlen werden; schließlich ist diese wunderschön und spannend geschriebene Biographie mit ihren zahlreichen Abbildungen die beste Möglichkeit, diese interessante Persönlichkeit mit den vielen Namen kennenzulernen!
Marius Hentea ist Rumäne. Er studierte an der Columbia und an der Harvard University und promovierte an der University of Warwick in Englischer Literatur. Seit 2015 lehrt er an der Universität von Göteborg; seine Forschungsschwerpunkte sind die Englische Literatur der Moderne und der Avantgarde.
„Tata Dada“ ist die erste Biographie dieses rumänischen Ausnahmekünstlers, die auf alle zugänglichen und auch neueren Quellen zurückgreift. Hentea konstruiert das Leben Tzaras vor und nach Dada aus den zahlreichen Mosaiksteinchen seines unsteten Lebens. Wie in einem Puzzle-Spiel setzt er aus den dispersen Fakten ein großartiges Gemälde zusammen, das ein Künstlerleben im 20. Jahrhundert widerspiegelt, das lange Zeit unbekannt geblieben ist.
Mit zahlreichen Abbildungen und in einer leicht verständlichen Sprache geschrieben, bietet dieses Künstlerbiographie einen völlig neuen Zugang zu einem der maßgeblichen Dadaisten der Zürcher und Pariser Phase. Das Buch liest sich über weite Strecken wie ein Roman, und doch basiert Henteas Tzara-Biographie auf einer jahrelangen und akribischen Recherche. Dem Anspruch einer akademischen Leserschaft wird durch einen großen Anhang und einem wissenschaftlichen Fußnoten-Apparat Genüge getan.
Der Aufsatz wurde aus dem Englischen übersetzt von Harriet Fricke und Volker Oldenburg; die gelungene Übertragung der französischen Gedichte stammt von Corinna Popp. Erschienen bei Berlin University Press in einem schönen Softcover-Format, dürfte Henteas Tzara-Biographie zum neuen Standardwerk über Tristan Tzaras himmlische Abenteuer und sein Leben avancieren.
Autor: Marius Hentea
Titel: “Tata Dada — Über das wahre Leben und die himmlischen Abenteuer des Tristan Tzara“
Taschenbuch: 376 Seiten
Verlag: Berlin University Press
ISBN-10: 3737413231
ISBN-13: 978-3737413237
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