Oliver Ruf: „Kreatives Schreiben“
Am: | September 6, 2016
Georg Christoph Lichtenberg war der Meinung, dass „Schreiben etwas erweckt was man vorher nicht deutlich kannte, ob es gleich in uns lag“. Vielleicht ist damit schon alles gesagt, was man sich vom kreativen Schreiben erhoffen mag: dass es in uns einen Prozess in Gang setzen möge, der kreative Kräfte freisetzt und die Ideenquelle zum Sprudeln bringt.
Während in deutschen Studierstuben noch streng auf die Unterscheidung von E und U gewacht und das Schild der Wissenschaft hochgehalten wurde, begann man in den USA, getreu dem für die angloamerikanischen Kulturen so typischen pragmatischen Zugang zur Wirklichkeit, die Studenten in so genannten Creative-Writing-Kursen mit dem Handwerk des kreativen Umgangs mit Sprache zu unterrichten.
Oliver Ruf hat sich ausführlich mit dem Phänomen des Kreativen Schreibens — hier großgeschrieben und als feststehender Begriff verstanden — beschäftigt. Die Geschichte dieser kulturellen Praxis beginnt bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten, und es ist verblüffend und erschrecken zugleich, wie lange diese Kreativitätstechnik gebraucht hat, um über den großen Teich nach Europa zu kommen und in der wissenschaftlichen Arbeitsweise des alten Kontinents Einzug zu halten.
Die angloamerikanische wissenschaftliche Literatur verfolgt seit jeher der Ruf einer leichten Verständlichkeit und guten Lesbarkeit — besonders im Vergleich zur einheimischen Fachliteratur. Wenngleich es auch heute noch Fachbereiche und wissenschaftliche Disziplinen gibt, die sich nach wie vor hinter einer möglichst akademischen Ausdrucksweise und geheim- bzw. fachsprachlichen Codes zu verstecken versucht, darf man beruhigt feststellen, dass die Lage insgesamt besser geworden ist: Die Mehrheit der deutschsprachigen wissenschaftlichen Publikationen ist heutzutage um Verständlichkeit und Stringenz ihrer Aussagen bemüht.
Die Methodik des kreativen Schreibens wird heute an den meisten Universitäten gelehrt, nicht zuletzt in der Hoffnung, bei den Studenten Energien freizusetzen und zu lenken, die allzu oft in geheimen Kanälen zu versickern drohen, wenn es darum geht, eine wissenschaftliche Hausarbeit oder ein Referat anzufertigen oder eine Abschlussarbeit zu konzipieren. Der rekurrierende Writer’s Block gehört zum studentischen Alltag wie die Prüfungsangst und der Leistungsdruck. Oft gehören sie sogar zusammen und bilden ein Teufelsdreieck, gegen das es permanent anzukämpfen gilt, will man sein Studium erfolgreich abschließen.
Wer unter Startschwierigkeiten leidet, soll durch einfache Schreibübungen den Fluss des Schreibens in Gang setzen und auf diese Weise die Blockaden seiner Kreativität lösen können. So weit die Theorie. Doch so leicht ist es dann leider doch nicht mit dem kreativen Schreiben. Einen nachhaltigen Dämpfer versetzt Karl Kraus dem Creative Writer: “Gut schreiben ohne Persönlichkeit kann für den Journalismus reichen. Allenfalls für die Wissenschaft. Nie für die Literatur.“
Es wäre aber immerhin schon einmal ein Anfang, wenn wenigstens die wissenschaftlichen Arbeiten im universitären Umfeld auf ein höheres Niveau gehoben werden könnten, indem man das Handwerk des Schreibens lehrt. Höher heißt in diesem Fall: bessere Lesbarkeit, klarere Formulierungen, eine stringentere Darstellungsweise sowie eine leichtere Verständlichkeit des vermittelten Stoffes.
Oliver Rufs Buch über das Kreative Schreiben ist ein schönes Beispiel für eine solch höhere Qualität: Klar in der Gliederung, umfassend in der Darstellung sowie angereichert durch zahlreiche lebensnahe Beispiele, bietet sein Buch eine sehr gut lesbare und spannend geschriebene Einführung in die Welt des Kreativen Schreibens, in dessen Geschichte und Methoden, in Theorie und Praxis des Kreativen Schreibens — in Schule, Universität und Wissenschaft.
Der Autor lehrt Medien- und Gestaltungswissenschaften sowie Textgestaltung und Ästhetik an der Fakultät Digitale Medien der Hochschule Furtwangen. Neben seinen akademischen Aufgaben hat er auch als Publizist, Journalist und Autor für zahleiche Medien gearbeitet.
Das Kreative Schreiben zum Beruf zu machen, daran denken viele, die irgendwann einmal mit den kreativen Techniken des Schreibens in Berührung gekommen sind. Kreatives Schreiben macht Spaß, kann sehr inspirierend sein, und wer den intellektuellen Austausch mit Gleichgesinnten schätzt, für den könnte es eine traumhafte Vorstellung sein, das Creative Writing zur eigenen Geschäftsidee zu machen.
Oliver Ruf behandelt in seinem knapp 300 Seiten starken Buch auch diesen Aspekt des Kreativen Schreibens, gibt zahlreiche Tipps und zeigt mögliche Spezialisierungen in diesem Berufsfeld. Im letzten Abschnitt behandelt der Autor das Verhältnis der Literaturwissenschaft zum Phänomen des Kreativen Schreibens und gibt Anregungen für mögliche Forschungsperspektiven.
Wer sich also näher mit dem Kreativen Schreiben befassen möchte, sei es aus wissenschaftlicher Neugier, sei es aus eigenem Interesse an einer kreativen Schreibpraxis, ist mit diesem Buch bestens bedient.
Autor: Oliver Ruf
Titel: „Kreatives Schreiben“
Taschenbuch: 304 Seiten
Verlag: UTB GmbH
ISBN-10: 3825236641
ISBN-13: 978-3825236649
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