Oliver Pfohlmann: „Robert Musil“
Am: | Februar 16, 2016
Bis zu seinem Lebensende schrieb Robert Musil an seinem opus magnus „Der Mann ohne Eigenschaften“. Das Werk blieb unvollendet, gehört aber dennoch zu den einflussreichsten Texten des 20. Jahrhunderts. Sein Autor, der Klagenfurter Robert Musil, war jedoch nicht nur Schriftsteller, sondern auch Ingenieur und Experimentalpsychologe.
Es gehört zu den Vorzügen der seit vielen Jahrzehnten erfolgreichen Reihe mit Monographien aus dem Rowohlt-Verlag, auf jeweils rund 150 Seiten ein relativ umfassendes Bild vom Leben und Werk einer Berühmtheit zu zeichnen. Besonders schwierig scheint ein solches Vorhaben, wenn es sich um Schriftsteller handelt, die ihrerseits ja in eben diesem Medium des geschriebenen Wortes zu Hause sind und mit ihm arbeiten. Wie soll man dann neben den biographischen Daten auch noch ein literarisches Werk in angemessener Weise präsentieren, wenn man nur eine begrenzte Seitenzahl zur Verfügung hat?
Der Autor der vorliegenden Monographie über Robert Musil löst diese Aufgabe mit Bravour, indem er nur wenige Zitate aus dem literarischen Werk des Schriftstellers einstreut, sich jedoch häufig und sinnstiftend der essayistischen, philosophischen und brieflichen Quellen bedient.
Oliver Pfohlmann, geboren 1971, studierte an der Universität Bamberg Germanistik, Psychologie und Philosophie. Promotion mit einer Arbeit über Robert Musil und die psychoanalytische Literaturwissenschaft. Damit hat sich Pfohlmann ausreichend qualifiziert, die seit 1963 bei Rowohlt herausgegebene Musil-Monographie von Wilfried Berghahn zu ersetzen. Diese Aktualisierung ist eine sinnvolle Entscheidung des Verlags, denn die Musil-Forschung hat in den letzten 50 Jahren keineswegs geschlafen, sondern eine Menge neuer Erkenntnisse über Leben und Werk dieses Klassikers erarbeitet.
Die Meisten von uns sind während des Deutschunterrichts mit Musils Mann ohne Eigenschaften in Berührung gekommen, aber nur die Wenigsten haben diesen umfangreichen Roman wirklich gelesen. Jedoch seine Erzählung über „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ kennen alle. Doch es wäre zu kurzgefasst, wollte man Musils Leben nur mit Hilfe dieser beiden Landmarken charakterisieren. Musils Leben war abwechslungsreich und von den radikalen Umwälzungen seiner Zeit geprägt.
Pfohlmann versteht es, diese vielschichtigen Bewegungen der Musilschen Biographie anschaulich zu beschreiben, mit zahlreichen Dokumenten und Fotos zu garnieren und hierbei immer auch den Spannungsaufbau zwischen Leben und schriftstellerischer Tätigkeit im Auge zu behalten. Auf diese Weise hat er eine wirklich lesenswerte Kurzbiographie geschrieben, die nicht nur konzis die wichtigsten Stationen in Musils Leben beschreibt, sondern durch all diese biographischen Daten den Charakter und das Wesen dieses großen Schriftstellers und Essayisten hindurchscheinen lässt.
Musil wurde 1880 zu Klagenfurt in einer gutbürgerlichen Familie geboren; der Vater war Ingenieur und Hochschulprofessor. Musil wurde später auch zum Maschinenbau-Ingenieur ausgebildet; er absolvierte sein Examen 1898 an der Technischen Hochschule in Brünn. Danach ging Musil nach Berlin und studierte dort ab 1903 Psychologie und Philosophie an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität. 1908 promovierte ihn der Philosoph Carl Stumph für seine Dissertation über den Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs.
Während jener Zeit schloss er Freundschaften mit Alfred Kerr und Franz Blei, aber auch mit den späteren Gestaltpsychologen Kurt Koffka und Wolfgang Köhler. Die Gestaltpsychologie sollte später einen starken Einfluss auf Musils literarische Arbeiten haben. Aber Musil betätigte sich auch als Experimentalpsychologe und entwickelte den Musilschen Farbkreisel, mit dem eine kontinuierliche Erzeugung von Mischfarben mittels einer additiven Farbmischung möglich wurde. Diesen Farbkreisel nutzte Musil für wahrnehmungspsychologische Untersuchungen.
Nach dem Ersten Weltkrieg ging Musil wieder nach Berlin und begann seine literarische Karriere. Er befreundete sich mit Ernst Rowohlt, seinem späteren Verleger. Ab 1921 arbeitete er auch als Theaterkritiker und Essayist. Diese Berliner Zeit gehört zu den produktivsten in Musils Leben. 1936 gab es jedoch einen entscheidenden Einschnitt: Mit 56 Jahren erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nie mehr richtig erholen sollte.
Musil blieb bis 1933 in Berlin, ging dann nach der Machtergreifung nach Wien. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 zwang Musil zur Emigration in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod 1942 unter schwierigen und zeitweise prekären Verhältnissen lebte.
Diese kleine Monographie von Oliver Pfohlmann bietet einen schnelle und niedrigschwelligen Zugang zu diesem faszinierenden Schriftsteller und seinem Werk. Es ist sowohl für Schüler und Studenten geeignet, als auch zur perfekten Vorbereitung für alle, die endlich den Mann ohne Eigenschaften einmal lesen wollen. Wie immer bei den rororo-Monographien ist auch diese Taschenbuch-Ausgabe handlich, von hervorragender Qualität und nicht zuletzt auch sehr erschwinglich. Also eine Menge guter Gründe, diese schlanke und gelungene Musil-Biographie zu lesen!
Autor: Oliver Pfohlmann
Titel: „Robert Musil“
Taschenbuch: 160 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3499507218
ISBN-13: 978-3499507212
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