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Rezensionen von Büchern aus den Kultur- und Geisteswissenschaften

Lily Brett: „Immer noch New York“

Am: | Januar 5, 2016

Lily Brett: „Immer noch New York“Wer Lily Brett kennt, weiß, dass ihre Geschichten untrennbar mit New York verbunden sind: Manhattan und Brooklyn sind die Orte, an denen Bretts Geschichten spielen, wo sie ihre Begegnungen macht und ihre Erlebnisse hat, die sie mit ihren Lesern teilt. – Wer Lily Brett noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen, denn mit Lily Brett hat man eine neue Freundin gewonnen.

Eine Freundin, die regelmäßig in Briefen ihre Erlebnisse in New York beschreibt und uns ihre Lieblingsorte in dieser unüberschaubaren Metropole verrät. Seinen ganzen Zauber entfalten diese kurzen Erzählungen besonders dann, wenn man selbst schon einmal in New York war und das eine oder andere Café oder besucht hat oder zu Fuß durch dieselben Straßen spaziert ist, ja vielleicht sogar Ähnliches erlebt hat wie die Autorin.

Wie New York wirklich ist, kann man jemanden, der noch nie da war, nur schwer vermitteln. Was soll man sagen? Es ist laut, bunt, hektisch, ruppig, zärtlich, busy und relaxed, zauberhaft und abstoßend. Es ist eben einfach – New York.

Lily Brett bewegt sich hauptsächlich in Manhattan, und hier auch meistens im West oder im East Village und der LES (Lower East Side). Das sind auch die mit Abstand europäischsten Gegenden New Yorks, zumindest was die Architektur betrifft. Die kleinen Lädchen, das Völkergemisch der Asiaten, Südamerikaner, Italiener und vieler, vieler weiterer Ethnien haucht diesen Straßen ein Leben ein, wie man es nur aus Filmen kennt. Mit Lily Brett an seiner Seite hat der Leser aber eine ortskundige Begleiterin gefunden.

Dieses Buch macht süchtig. Man möchte noch mehr lesen, noch mehr erfahren über diese urigen Viertel und die einzigartigen Menschen, die es hier anscheinend an jeder Ecke gibt… Wer New York kennt, wird bestätigen, was durch die Zeilen von Bretts Geschichten schielt: Hier leben Menschen, die sich täglich neu erfinden, um an dem großen Spiel teilzunehmen, das man „Leben“ nennt. New York ist nicht nur ein ethnischer Schmelztiegel, sondern eine Metropole, die durch ihr Tempo, ihren Betrieb und manchmal auch durch ihre Grausamkeit zu einem faszinierenden Ort wird, dem sich keiner entziehen kann. Die größten Träume werden in dieser niemals schlafenden Stadt wahr, aber die schlimmsten Befürchtungen manchmal leider auch. New York bietet die Bühne für jeden, der hier lebt oder leben will. Es geht um die perfekte Selbstinszenierung, um das Herausstellen der individuellen Einzigartigkeit.

Diese mitunter extreme Selbstdarstellung mag manchen Gast dieser Stadt befremden oder gar abstoßen, doch die New Yorker haben diesen Lifestyle – jeder auf seine Art – angenommen, verinnerlicht oder mit der Muttermilch aufgesogen, wenn sie zu den Wenigen gehören, die aus New York stammen.

Wenn man Lily Brett zuhört, beginnt man zu verstehen, wie es sich anfühlen muss, ein New Yorker zu sein. Wenn man sich auf ihre Geschichten einlässt, kann es eigentlich gar keine andere Reaktion auf die Lektüre geben, als sich vorzunehmen, demnächst einmal selbst diesem faszinierenden Moloch einen Besuch abzustatten. – Wie gesagt: Dieses Buch kann süchtig machen – nach neuen Geschichten und nach immer noch mehr New York.

 

Autor: Lily Brett
Titel: „Immer noch New York“
Taschenbuch: 223 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN-10: 3518466356
ISBN-13: 978-3518466353

 

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