Aleida Assmann: „Im Dickicht der Zeichen“
Am: | April 17, 2015
Aleida Assmann gilt als eine der bedeutendsten Kulturwissenschaftlerin unserer Zeit. In diesem Sammelband sind nun endlich auf Anregung des Suhrkamp Verlags zahlreiche verstreute Aufsätze und Beiträge Assmanns zusammengetragen worden, die sich mit medien- und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigen. Zusammen bilden sie, wie Aleida Assmann selbst im Vorwort schreibt, das „auf der Strecke gebliebene Buch“, in dem sie eine „Studie über Gebrauch, Herstellung und Deutung von Zeichen in wechselnden historischen und kulturellen Kontexten“ vorlegt.
Aus der Aby-Warburg-Tradition kommend, hatte sich Assmann schon in den sechziger Jahren, als an den deutschen Unis die K-Gruppen aktiv und der Marxismus en vogue war, einer neuen historischen Kulturwissenschaft verschrieben, die ihre Impulse vor allem durch Michel Foucault bekam. Sein Buch „Die Ordnung der Dinge“ erschien 1972 in deutscher Übersetzung und wurde für die junge Studentin der Anglistik und Ägyptologie zur Blaupause einer neuartigen Form der historisch verstandenen Beschäftigung mit kultur- und humanwissenschaftlichen Dispositiven.
Der von Foucault eingeführte Begriff des Diskurses ermöglichte es fortan, sich den Phänomenen sprachlicher Kommunikation auf einem neuen Weg wissenschaftlich zu nähern, indem vor allem die Regeln untersucht werden, denen eine solche Kommunikation unterliegt bzw. die ihr vorangeht. Nur wenige Jahre später wird Aleida Assmann in ihrer Dissertationsschrift diesen neuartigen kulturwissenschaftlichen Blick auf „Die Legitimation der Fiktion“ selbst anwenden, indem sie zwei Formen des Lesens nachgeht, der Lektüre der Welt und der Lektüre von Büchern.
Die „wilde Semiose“, also jenes weite Feld sprachlicher Artikulation zwischen den „Polen des Pathologischen und des Kreativen“, und die Welt als Text gehören seitdem zu den thematischen Interessengebieten von Assmanns wissenschaftlicher Arbeit. Die Welt der Zeichen und des Schauens sowie die kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit der Kreation, dem Gebrauch und der Deutung von Zeichensystemen unterschiedlicher historischer Kontexte machen Assmanns Aufsätze, die in diesem Sammelband präsentiert werden, trotz (oder vielleicht sogar wegen) ihrer zeitlichen Distanz zu einer spannenden Lektüre.
Es ist vor allem diese erfrischende und den Blick auf den Horizont öffnende Perspektive Assmanns, der die hier versammelten Texte auch für den Laien so attraktiv macht. Wenn sich die Kulturwissenschaftlerin mit Themen wie „Adam als erster Leser der Welt“ oder den „Leser der Großstadt“ beschäftigt, so eröffnen hier nicht nur überraschende Forschungsfelder, sondern das Ganze liest sich auch noch spannend! Dies liegt sicherlich nicht zuletzt an Assmanns frühem Studium wissenschaftlicher Texte aus dem französischen und angloamerikanischen Kulturkreis.
Charakteristisch für Aleida Assmanns Arbeiten ist ihre Interdisziplinarität. So gehören sowohl literaturwissenschaftliche Themen wie der „Chandos-Brief“ von Hofmannsthal, als auch medienwissenschaftliche Analysen wie die „Wiederkehr der Hieroglyphen im Stummfilm“ zum Spektrum ihrer wissenschaftlichen Arbeit; wissenschaftliche Essays über die „Metamorphosen des Lesens“ wechseln in diesem Band ab mit eher semiologischen Arbeiten zur Doppelstruktur des Zeichens im historischen Kontext von Sokrates und Shakespeare bis Goethe und Nietzsche.
„Im Dickicht der Zeichen“ bietet einen hervorragenden Einstieg in den Wissenschafts-Kosmos von Aleida Assmann und unterstreicht die hohe Relevanz ihrer interdisziplinären Arbeitsweise für die aktuellen Diskurse in den Kulturwissenschaften.
Autor: Aleida Assmann
Titel: „Im Dickicht der Zeichen“
Taschenbuch: 360 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN-10: 3518296795
ISBN-13: 978-3518296790
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