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Ulrich Beck, Elisabeth Beck-Gernsheim: „Fernliebe“

Am: | Februar 14, 2012

Das Soziologen-Ehepaar Beck-Gernsheim schreibt ein Buch über Fernliebe. Sie ist Gastprofessorin in Trondheim, er an der Londoner School of Economics and Political Science. Da werden die Gefahren und Chancen einer Fernbeziehung für einen Soziologen fast schon zu einem selbstverständlichen und nahe liegenden Thema.

In ihrem Buch haben die beiden Autoren ihre Untersuchungen in zehn spannenden Kapiteln zusammengefasst. Sie zeigen, wie sich in unserer globalisierten Welt die Familienstrukturen und Liebesbeziehungen verändern. Neben der klassischen Form der Familie, die am gleichen Ort lebt, gibt es seit einiger Zeit und in zunehmendem Maße die disperse, dezentrale Familienstruktur. In ihr leben die Partner zeitweilig oder dauerhaft an verschiedenen Orten.

Wenn die Mittelschicht solche Fernbeziehungen kennt, so ist das Problem der örtlich voneinander getrennten Partner auf einem globalen Level ein ganz anderes, wenn man nur einmal an die Wanderarbeiter in Asien denkt. Welche soziologischen Auswirkungen bringen diese Veränderungen mit sich? Gehen die Geschlechter verschieden damit um?

Die Untersuchungen der Autoren ergaben, dass vor allem die Frauen besser mit dieser neuen Form der „Weltfamilie“ umgehen und aus ihr Vorteile ziehen können.

Die Migrationswellen breiten sich ja in alle Richtungen und von allen Punkten aus. Somit finden vor allem die nicht-westlichen Frauen bei einer Migration in den Westen ein deutlich autonomeres Umfeld als in ihrer Heimat vor, wovon sie mehr profitieren als die Männer.

Die Weltfamilie wird in diesem gut recherchierten Buch in all ihren Facetten beleuchtet. Wie definieren sich diese neuen Gebilde selbst, wie funktionieren sie, wie wirtschaften sie als „transnationale Wirtschaftsunternehmen“ und wie weltoffen sind Weltfamilien?

Wie viel Nähe und Ferne ist für die Liebe das richtige Maß? Das ist die eigentliche zentrale Frage, und sie kann immer nur individuell beantwortet werden.

Die Autoren vertreten die Meinung, dass jede Liebe in erster Linie und vor allem „vorgestellte“ Liebe ist. Das Meiste findet in der Tat im Kopf statt, egal ob der Partner ganz in der Nähe ist oder am anderen Ende der Welt nur über das Internet sichtbar wird. Liebe passiert in beiden Fällen, ob wir ihm oder ihr direkt in die Augen schauen oder via Skype.

Doch liebe ohne Sex, ohne Berührungen und körperliche Nähe hat einen anderen Glanz und muss sich auf anderen Feldern beweisen. Wie und ob das gelingt, ob die Tönung der individuellen Liebe zu mir und meinem Partner passt, ob es sich gut anfühlt und keinen der beiden Liebespartner in seinen Gefühlen benachteiligt, hängt ganz von uns selbst ab.

Wie sich jedoch solche Weltfamilien in unsere Gesellschaften integrieren und welche Auswirkungen diese vielfachen Fernlieben auf unser zukünftiges Bild von Liebe, Partnerschaft und Familie haben, untersucht dieses spannende Buch von Ulrich  Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim.

278 Seiten über ein Thema, das bereits jetzt zu unserer Lebenswirklichkeit gehört und in Zukunft einen noch wichtigeren Platz einnehmen wird. Denn der Prozess der Globalisierung hat gerade erst begonnen.

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Autor: Ulrich Beck, Elisabeth Beck-Gernsheim
Titel: „Fernliebe“
Gebundene Ausgabe: 280 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN-10: 3518422324
ISBN-13: 978-3518422328

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