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Rolf Keller: “Sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich 1941/42”

Am: | Februar 9, 2012

Es gibt Bücher, die treffen uns mit voller Wucht. Die Intensität der Darstellung und die plastische Aufbereitung der erschreckenden Fakten lassen das Geschehene derart eindringlich und geradezu überlebensgroß erscheinen, dass es droht uns zu überwältigen.

Der Titel des vorliegenden Buches klingt zunächst vertraut. Wir wissen alle, dass während des Zweiten Weltkriegs im Russlandfeldzug viele tausend sowjetische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten. Die deutsche Wehrmacht überrannte vor allem in der Anfangsphase des Kriegs an der Ostfront große Teile des Westens der Sowjetunion. Hierdurch wurden immer wieder ganze Truppenteile der Sowjetarmee von ihren Kameraden abgeschnitten und gerieten in Gefangenschaft.

Wir wissen auch aus Zeitdokumenten und unzähligen Büchern und Dokumentarfilmen, dass die deutschen Soldaten alles Andere als zimperlich mit gegnerischen Soldaten umgingen. Nicht selten galt die Devise, keine Gefangenen zu machen und die wehrlosen Gegner zu liquidieren. Wer jedoch in deutsche Kriegsgefangenschaft kam, konnte sich in der Regel nicht auf Genfer Konventionen berufen, nach denen allen Kriegsgefangenen ein Mindestmaß an Würde und Grundrechten gewährt werden sollte. Alle Kriegsgefangenen der Deutschen Truppen und hier ganz besonders die Soldaten der Roten Armee mussten ständig mit dem Schlimmsten rechnen, und was das bedeutet, können wir uns nur schwer vorstellen. Die permanente Todesfurcht vor Augen und der Kampf ums eigene Überleben setzten in den gefangenen Menschen Instinkte frei, die unsere friedliche und freie Welt schon lange nicht mehr kennt. Gott sei Dank.

Oft übersteigt die grausame Realität der Gefangenenlager unsere Vorstellungskraft. Rolf Keller hat mit seinem bei Wallstein erschienenen Buch eine Dokumentation des Schreckens vorgelegt. Ihm gelingt die Rekonstruktion des teuflischen Systems jener Kriegsgefangenenlager.

Dieses System war im ersten Schritt auf die auf maximale Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft ausgerichtet und im zweiten Schritt auf die Vernichtung des feindlichen Lebens. Wenngleich es bei den „Russenlagern“ auf deutschem Territorium um die Schaffung eines unerschöpflichen Reservoirs leicht zu rekrutierender Arbeitskräfte ging, legte man keinerlei Wert auf eine menschengerechte Unterkunft und Verpflegung der Gefangenen.

Der Ausleseprozess war unerbittlich und grausam. Unterernährung und Mangelerscheinungen waren das Schicksal der meisten Inhaftierten. Die Hungersnöte in den Lagern und das Massensterben der russischen Gefangenen im harten Kriegswinter 1941/42 werden in Rolf Kellers Buch genau dokumentiert.

Wie waren die Lager untereinander organisiert, wie sahen die Arbeitseinsätze der russischen gefangenen aus, welche Ursachen hatte das Massensterben der Gefangenen im Winter 1941/42 und was führte letztlich zum Zusammenbruch der Arbeitseinsätze auf Reichsgebiet – diese Fragen beantwortet der Autor mit geradezu akribischer Genauigkeit.

Man merkt schnell, dass es sich bei diesem Buch um ein historisches Werk und um einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung über die Zeit des Dritten Reiches handelt, dessen Sachverhalte anhand einer umfangreichen Recherche zustande kamen. Das belegt auch und nicht zuletzt der über 50seitige Anhang mit Quellen- und Literaturangaben.

Es ist das Verdienst des Autors, dass die Fülle der Fakten und der hohe Recherche-Aufwand nicht zulasten der Lesbarkeit des Textes gingen. Rolf Kellers Buch ist trotz (oder vielleicht gerade wegen) der zahlreichen Fußnoten auch für den Laien leicht verständlich und gut lesbar geschrieben.

„Sowjetische Kriegsgefangene im Dritten Reich 1941/42“ belegt auf 512 Seiten auf beklemmende Weise die perfide Grausamkeit und das menschenverachtende System der nationalsozialistischen Kriegsführung. Einmal mehr wird klar, dass der Krieg im Osten von Anfang an als Vernichtungskrieg geführt wurde und dabei auch nicht vor der systematischen Ausbeutung und Vernichtung der sowjetischen Kriegsgefangenen Halt machte.

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Autor: Rolf Keller
Titel: „Sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich 1941/42“
Gebundene Ausgabe: 511 Seiten
Verlag: Wallstein
ISBN-10: 3835309897
ISBN-13: 978-3835309890

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