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Charles Dickens: 200. Geburtstag am 07.02.2012

Am: | Februar 3, 2012

Jeder kennt ihn, seine berühmten Geschichten und die vielen Figuren, die die Welt seiner Romane bewohnten. Charles Dickens, der schon zu Lebzeiten weltberühmt wurde durch seinen „Oliver Twist“, „Die Pickwickier“, „Eine Weihnachtsgeschichte“, „David Copperfield“ und viele andere Geschichten, gehört auch in Deutschland längst zu den Klassikern der Weltliteratur.

Kaum einer konnte so hinreißend und detailreich erzählen wie er, und doch wurde kaum ein Schriftsteller dabei so kontrovers diskutiert und geriet so sehr zwischen die Fronten von populärer und hoher Literatur. Oft wurde an Dickens die Leichtigkeit, ja Seichtigkeit und moraline Säuerlichkeit seiner Geschichten kritisiert, wobei man verdrängt, dass kaum einer wie Charles Dickens das England des 19. Jahrhunderts in seinen Geschichten abbildet.

Hierzu gehört aber automatisch auch jene moralische Grundhaltung, die in Dickens’ Romanen zum Ausdruck kommt. Er war ein Kind seiner Zeit.

Bemerkenswert ist die Lebensgeschichte von Charles Dickens, die nach einer recht angenehmen Kindheit in Portsmouth, Chatham und London bereits mit 12 Jahren abrupt endete, als er wegen der Schulden des Vater von der Schule genommen wurde und in einer Schuhwichsfabrik arbeiten musste. Der Vater saß im Schuldgefängnis, und nun war es an dem kleinen Charles, die Familie finanziell durchzubringen. Diese düstere Zeit von etwa 10-14 Monaten wird Charles Dickens nie wieder vergessen. Sie taucht in vielen seiner späteren Romane auf.

Als der Vater aus dem Schuldgefängnis entlassen wurde, besuchte Charles Dickens weiter die Schule, wurde dann zunächst ein Rechtsanwaltsgehilfe, später Gerichtsreporter und der Verfasser erster Geschichten.

Die frühen „Skizzen von Boz“, die das Londoner Sozialleben mit einer bislang ungekannten Beobachtungsschärfe und trotz aller Not in einem solch pittoresken und humorigen Licht beschrieben, machten Charles Dickens schnell berühmt.

In der Zeit von 1836–37 erschienen in monatlichen Heften die „Pickwick Papers“, die später dann zusammen als sein erster Roman veröffentlicht wurden, und danach ging es Schlag auf Schlag.

Charles Dickens war von einer unglaublichen schriftstellerischen Produktivität. „Oliver Twist“, „Nicholas Nickleby“, „Der Raritätenladen“ und „Barnaby Rudge“ sind nur die bekanntesten Werke, die zwischen 1838 und 1841 entstanden. Danach folgten „Ein Weihnachtslied“, „Martin Chuzzlewit“, „David Copperfield“, „Bleakhaus“, „Harte Zeiten“, „Klein-Dorrit“, „Die Geschichte zweier Städte“, „Große Erwartungen“ und „Unser gemeinsamer Freund“.

Schon bald konnte Charles Dickens mit seiner ständig wachsenden Familie von den Einkünften seiner Schriftstellerei leben. In späteren Jahren verdiente er zusätzlich durch Lesungen und Vorträge seinen Unterhalt.

Was für ein Mensch Charles Dickens wirklich war, versuchen seit seinem Tod viele Historiker zu ergründen. Beginnend mit seinem Freund und Berater John Forster, der bereits kurz nach Dickens’ Tod seine Biografie veröffentlichte, über Peter Ackroyd und Michael Slater. Vor allem auf dem englischsprachigen Buchmarkt ist das Feld der Dickens-Biografien gut bestellt.

Nun gibt es auf dem deutschen Buchmarkt zwei Neuerscheinungen, die besondere Beachtung verdienen: Zum Einen ist da Hans-Dieter Gelferts wundervolle Biografie „Charles Dickens – der Unnachahmliche“ und zum Anderen ein kleinen Büchlein, das im Aufbau-Verlag erschienen ist: „Unser Vater Charles Dickens“ von Mary und Charlie Dickens.

Hans-Dieter Gelfert geht in seiner Dickens-Biografie erfreulicherweise einen anderen als den gewohnten Weg der Biografen. Er beschränkt sich nicht auf die Beschreibung des Lebenswegs des großen Schriftstellers, sondern setzt diesem Teil des Buches, quasi kontrapunktisch, immer wieder kurze Abrisse über die bedeutendsten Werke Dickens’ gegenüber, die er in jenen Lebensabschnitten verfasste. Auf diese Weise gelingt es Gelfert, für den Leser nachvollziehbar, ein kaleidoskopisches Bild des Menschen und Künstler Charles Dickens zu malen.

Der Autor Hans-Dieter Gelfert war bis zu seiner Emeritierung Professor für englische Literatur an der Freien Universität Berlin und ist seitdem freier Autor für kulturwissenschaftliche Themen und Übersetzer englischer Gedichte.

Einen ganz anderen Zugang zum Menschen Charles Dickens erhalten wir durch die jetzt im Aufbau-Verlag erschienenen schriftlichen Überlieferungen zweier Kinder des großen Meisters. Die Texte von Mary und Charlie Dickens lassen Charles Dickens in einem sehr privaten Licht erscheinen, liebevoll beschrieben von seinen Kindern als ein Familienmensch, als ein hart arbeitender Schriftsteller, der aber immer auch für seine Familie da war und sich auch gern in großer Gesellschaft bewegte. Viel näher als in diesen Augenzeugen-Berichten kann man Dickens kaum noch kommen.

Diese Kombination aus einer hervorragend recherchierten und durch literaturwissenschaftliche Aspekte angereicherte Biografie Gelferts und den privaten Zeugnissen seiner Familie eröffnet einen faszinierenden Blick auf den „unnachahmlichen“ und wohl bedeutendsten englischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts.

Jedoch Bücher über Charles Dickens zu lesen, ist nur der halbe Spaß; lesen Sie doch auch einmal wieder die wundervollen Geschichten, die uns Charles Dickens geschenkt hat! Eine schöne Auswahl der besten Romane finden Sie hier.

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Autor: Hans-Dieter Gelfert
Titel: „Charles Dickens – der Unnachahmliche“
Gebundene Ausgabe: 375 Seiten
Verlag: Beck
ISBN-10: 3406622178
ISBN-13: 978-3406622175

 


Autor: Mary und Charlie Dickens
Titel: „Unser Vater Charles Dickens“
Gebundene Ausgabe: 207 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN-10: 3351033664
ISBN-13: 978-3351033668

 


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